Wasser ist die Kohle der Zukunft“: Jules Verne verlieh schon 1875 der Hoffnung Ausdruck, die rußenden Dampfmaschinen könnten bald durch die gut 50 Jahre zuvor entdeckte Brennstoffzelle ersetzt werden. Die Geschichte schlug einen anderen Weg ein und Christian Schönbeins Entdeckung, wie man mit Platindrähten, Salzsäure und Wasserstoff Strom erzeugen kann, geriet in Vergessenheit. Erst in den 1950er Jahren kam die Brennstoffzellen-Technik wieder aufs Tapet, als Militär und Raumfahrt sich auf die Suche nach neuen, leistungsfähigeren Energiequellen machten.
Schließlich fand auch die Autoindustrie gefallen am Wasserstoff: 1966 stellte GM mit dem Electrovan das erste Brennstoffzellen-Auto vor, 1994 folgte der NECAR1 von Mercedes: Ein Kleinbus, dessen kompletter Laderaum mit Tanks und Technik vollgestopft war. Gut ein weiteres Vierteljahrhundert später präsentieren die Stuttgarter jetzt den GLC F-Cell Plug-in-Hybrid. Ein Kompakt-SUV, das nicht nur über eine Brennstoffzelle (englisch: fuel cell) zur Stromgewinnung aus Wasserstoff verfügt, sondern auch über eine große Batterie, die an der Steckdose geladen werden kann.
Die Brennstoffzellen-Einheit selbst nimmt nicht mehr Raum ein, als ein Vierzylinder-Motor. Gegenüber der B-Klasse F-Cell, mit der Mercedes in den vergangenen Jahren in einem groß angelegten Test Erfahrungen gesammelt hat, wiegt sie ein Viertel weniger und hat einen um 90 Prozent geringeren Platinverbrauch, was sich positiv auf die Kosten auswirkt; außerdem ließe sich die „genormte“ Baugruppe inzwischen problemlos in andere Autos, Lkw und Busse einbauen. Die Wasserstoff-Tanks sind beim GLC im Kardantunnel und unter der Rückbank montiert, der Stromspeicher sitzt im Kofferraum. Die Einschränkungen dadurch halten sich im Rahmen, der Stauraum ist etwas geringer, die Fond-Passagiere sitzen ein bisschen höher als üblich. Opfer, die Elektro-Pioniere sicher gerne bringen werden. Oder besser gesagt: würden.
Nur die wenigsten Interessenten werden nämlich in den Genuss des F-Cell-GLC, bei dem nur reines Wasser aus dem Auspuff tröpfelt, kommen: Einen freien Verkauf planen die Stuttgarter nicht, ab Ende des Jahres wollen sie erste Autos – zu noch nicht näher bezifferten Preisen – lediglich an ausgewählte Kunden übergeben, insgesamt nur eine vierstellige Zahl; also wohl kaum mehr als tausend. Potential für mehr wäre auf jeden Fall da: Der F-Cell-Stack aus circa 400 Brennstoffzellen wird in Nabern bei Stuttgart entwickelt, auf Herz und Nieren geprüft und gefertigt, und die Produktionskapazitäten könnten ohne weiteres erhöht werden; momentan werden allerdings nur wenige Einzelstücke pro Tag hergestellt. Und mit der Karosserie wird die Brennstoffzelle, wie jeder andere Motor, ohnehin erst im GLC-Werk in Bremen verheiratet, Produktionsengpässe sollte es also auch hier nicht geben.
Dass Mercedes mit der F-Cell-Technik nicht so recht in die Gänge kommt – der GLC-Start war anfangs schon für 2017 angekündigt, ist umso erstaunlicher, da sich das SUV bei einer ersten Runde auf dem Beifahrersitz als durchaus serienfertig präsentiert hat. Geräuschlos wie jeder andere Stromer surrt der 147 kW/200 PS starke GLC durchs Land und tritt mit 350 Newtonmeter E-Auto-typisch kräftig an; die Vmax ist bei dem weit über zwei Tonnen schweren F-Cell allerdings auf 160 km/h begrenzt und die Kraft geht lediglich an die Hinterräder, was im Alltag nicht wirklich negativ auffallen dürfte.
Ob gerade die Brennstoffzelle Wasserstoff in Energie umwandelt oder sich der E-Motor an der 13,8 kWh großen Lithium-Ionen-Batterie bedient, merkt man nicht, und wie bei den anderen Plug-in-Hybriden von Mercedes hat man auch im GLC mehrere Fahrmodi: Man kann das Energiemanagement wie erwähnt dem Computer überlassen, den Brennstoffzellen- oder den Batteriebetrieb erzwingen oder den Akku laden. Wozu letzteres gut sein soll, erschließt sich nicht: Während bei Verbrenner-Hybriden auf diese Weise auf der Autobahn Strom gesammelt werden kann, um später in der Stadt rein elektrisch zu fahren, fährt der F-Cell ja ohnehin immer nur mit Strom.
Generell will Mercedes mit der Plug-in-Option den Kunden die „Tankstellen-Angst“ nehmen. Zwar dauert das Auffüllen der Wasserstoffvorräte nur wenige Minuten, noch gibt es in Deutschland aber nur 45 Tankstellen; 100 sollen es bis Ende des Jahres sein, 400 bis 2023. Dann soll auch entlang der Autobahn mindestens alle 90 Kilometer eine Zapfsäule kommen. Der Extra-Stromspeicher dient also als Backup: Rein theoretisch kann der GLC damit 49 Kilometer weit fahren, in der Praxis sind es wohl eher um die 30. Und er kann durch Rekuperation beim Rollen oder Bergabfahren wieder Energie einlagern.
Ob sich diese Kombination durchsetzen kann, ist allerdings fraglich. Zum einen erhöht der zusätzliche Akku das Gewicht, zum anderen könnte der Platz auch für einen größeren Wasserstofftank hergenommen werden: Der GLC soll mit seinen 4,4 Kilogramm Wasserstoff (plus Stromspeicher) 437 Kilometer weit kommen – im aussterbenden NEFZ-Zyklus, auf der Straße ist mit deutlich weniger zu rechnen. Die Konkurrenz fährt hier um einiges praxistauglichere Reichweiten auf: Der Toyota Mirai schafft problemlos 450 Kilometer, der Hyundai Nexo – der ab Herbst den ix35 Fuel Cell beerbt – soll realistische 600 Kilometer fahren können. Der größte Unterschied zum GLC ist aber nicht mal die Reichweite, sondern die Verfügbarkeit: Die asiatischen Brennstoffzellen-Stromer kann nämlich jedermann für knapp 80.000 Euro beim Händler kaufen.
Text: Michael Gebhardt/SP-X
Fotos: Daimler