Nio, ein Ende 2014 in China gegründetes Elektroauto-Start-up, hat es eilig. Sehr eilig sogar. Das hat unter anderem im Frühjahr der mit dem Know-how englischer Ingenieure entwickelte EP9 demonstriert: Für eine Nürburgring-Nordschleifenrunde reichten dem Elektrosportwagen 6:45,9 Sekunden. Jetzt hat der Autobau-Newcomer in Shanghai mit dem ES8 sein erstes massentaugliches Serienmodell vorgestellt, das in gleich mehrfacher Weise aufhorchen lässt.
Allein das Premieren-Event zeugt von einer Extraportion Selbstbewusstsein, denn statt eine kleine Nische auf einer großen Automesse anzumieten, haben die Chinesen ihre eigenen „Nio Day“ mit 7.000 Gästen in Shanghai ausgerufen. Dort wurde mit dem ES8 ein mit leicht futuristischen Details garnierter doch letztlich recht konventionell gezeichneter Fünf-Meter-SUV vorgestellt, unter dessen massentauglichem Blechkleid ein potenter Elektroantrieb steckt. Dieser soll mit 480 kW/644 PS und 840 Newtonmeter Drehmoment eine Beschleunigung aus dem Stand auf Tempo 100 in 4,4 Sekunden erlauben. Weniger atemberaubend: die Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h. Dank einer 70-kWh-Batterie sollen Reichweiten von rund 350 Kilometer möglich sein.
Über Aufladezeiten müssen sich ES8-Kunden, sie sich für ein optionales Batterietauschsystem entscheiden, keine Gedanken machen. Wie einst beim 2013 aufgelösten Unternehmen Better Place will auch Nio in einer Wechselstation die Traktionsbatterie in nur drei Minuten tauschen. Wer sich für diese Lösung entscheidet, bezahlt monatlich 165 Euro für das Batterieleasing. Da der Kunde die Batterie nicht kauft, verringert sich der Preis für das Auto um 13.000 auf rund 45.000 Euro. Bis 2020 sollen in China, der vorläufig einzige Markt für den ES8, über 1.000 Swap-Stationen entstehen. Der Batterietausch ermöglicht vor allem Laternenparkern, das Fahrzeug trotz fehlender Ladeinfrastruktur im Alltag zu nutzen.
Darüber hinaus zeichnet sich der bereits für das kommende Jahr angekündigte ES8 durch einen über drei Meter langen Radstand und ein entsprechend üppiges Raumangebot aus. Dank Oberklasseformat bietet das SUV drei Sitzreihen mit sieben Sitzgelegenheiten. Alternativ lässt sich das Fahrzeug zum Zweisitzer mit XXL-Laderaum wandeln. Außerdem soll der Stromer mit einem zur Liege wandelbaren Beifahrersitz oder einer Luftfederung gehobenes Komfortniveau bieten.
Schließlich kündigt Nio für den ES8 auch eine Vielzahl nicht näher spezifizierter Assistenzsysteme an. Die Überwachungstechnik besteht unter anderem aus einer Mehrfeld-Front- und vier Surround-Kameras, Radarsystem, zwölf Ultraschallsensoren und einer Fahrerüberwachungskamera. Im Zusammenspiel mit einem extraschnellen EyeQ4-Chip will Nio automatisierte Fahrkünste auf gehobenem Niveau ermöglichen. Außerdem ist ein mit künstlicher Intelligenz gesegneter Assistent namens Nomi an Bord. Dieser thront in Form eines kleinen Displays mittig auf dem Armaturenbrett. Ähnlich wie Alexa von Amazon soll Nomi mit Insassen kommunizieren und diese bei Problemen oder Wünschen unterstützen.
Text: Mario Hommen/SP-X
Fotos: Nio/SP-X