Duell unter Brüdern: Porsche und Turbo, das ist eine Geschichte voller Legenden und Leistungsduelle. Vor 30 Jahren trat der 911 Turbo zum wahrscheinlich wichtigsten Wettstreit seiner Karriere an, denn im Kampf gegen den V8-Kraftprotz Porsche 928 S4 musste er beweisen, dass nur ein Zuffenhausener für die Ewigkeit bestimmt war. Beide Boliden waren 1987 bereits in die Jahre gekommen und schienen das Ende der Leistungsfahnenstange erreicht zu haben. Der Porsche 928 war zehn Jahre zuvor als neuer Transaxle-Typ (Motor vorn, Getriebe und Differential hinten) gestartet und überdies das erste Stuttgarter Sportcoupé mit V8. Zum Aufreger machte den im Stil der New-Wave-Ära geformten 928 aber etwas ganz anderes: Der anfangs 176 kW/240 PS leistende Gran Turismo präsentierte sich als potentieller Nachfolger des Porsche 911. Da konnten Turbo-Piloten nur spöttisch grinsen: Ihr Trumpf jeden Autoquartetts knackte dank Ladeluftkühlung und soeben auf 3,3 Liter Hubraum vergrößerter Maschine die magische Zahl von 221 kW/300 PS.
Beste Basis für einen anhaltenden Traumwagenstatus des Sechszylinder-Boxers. Trotzdem ließen sich die 928-Entwickler nicht entmutigen und spendiertem ihrem innovativen Vollaluminium-V8 kontinuierliche Leistungsspritzen. Im Modelljahr 1987 war es dann soweit, mit 235 kW kW/320 PS überholte der Porsche 928 S4 den 300-PS-Turbo. Selbst Maranello konnte nur staunen, denn diese beiden deutschen Boden-Boden-Raketen waren sogar business- und alltagstauglich.
Wer ist der wahre Überflieger für die Straße, fragten sich damals Fachwelt und Fans. Letztlich hatten 928 S4 und 911 Turbo nur zwei Eigenschaften gemeinsam: Das gewaltige Temperament und den exorbitant hohen Neupreis von jeweils 125.000 Mark – dafür gab es alternativ gleich zwei Maserati, fast zwei Mercedes SL oder einen Lamborghini Jalpa plus Fiat 126. Ansonsten trennten die kostspieligen schwäbischen Sportler so krasse Unterschiede, dass bis dahin kaum ein 911-Turbo-Fahrer auf den 928 umgestiegen war und umgekehrt. Würde sich diese Situation nun ändern und würde der 928 S4 die Absatzzahlen der alternden Baureihe durch mehr wechselwillige Käufer anderer Marken nachhaltig beschleunigen? Nein, prognostizierten die Skeptiker – und sie sollten recht behalten. Immerhin blieb der aktualisierte 928 im Gespräch und die Verkaufszahlen waren besser als die der meisten Rivalen.
Vor 30 Jahren war der einst vom 911 etablierte Turbolader endgültig in der Mitte der Tempogesellschaft angekommen. Gas geben und Spaß haben, lautete das Motto der leistungshungrigen Autowelt und die Werbung verpackte dies in Worte wie: „Da gibt es nichts mehr zu tunen… für eine Fahrerelite, die von einem Sportwagen mehr als bloß Geschwindigkeit erwartet“. Porsche dagegen kombinierte niedrige Emissionswerte mit Vmax: „Der Porsche 928 S4 … das schnellste Katalysator-Fahrzeug der Welt.“ Tatsächlich übertraf der 265 km/h flotte V8 sogar den 250 Kilogramm leichteren 911 Turbo um 5 km/h. Noch flotter fahren konnten Käufer, denen die Diskussionen ums Waldsterben und Katalysator gleichgültig waren, denn ohne die damals noch optionale Abgasreinigung knackte der 928 sogar die 270-km/h-Marke – und musste sich dann nur noch von Ferrari Testarossa, F40 und Lamborghini Countach überholen lassen. Hinzu kam kurz nach Start des 928 S4 der in die Zukunft weisende Porsche 959, nun mit serienmäßigem Katalysator.
Erfolg war aber nicht alleine eine Frage von Vmax und schierer Kraft, sondern auch von Faszination. Karosserie und Konzept des 911 gab es damals kaum verändert seit fast einem Vierteljahrhundert. Gesteigert wurde der Kultstatus des ewigen Elfers in dieser Zeit nur einmal nachhaltig als der Turbo ab 1973 dem Renner die Sporen gab und Kotflügelverbreiterungen und Heckflügel Kennzeichen des „Turbo-Wahnsinns auf Rädern“ wurden, wie die Presse damals schrieb. Sollte sich dieser Sechszylinder-Boxer, der im Sprintduell die gesamte italienische Zwölfzylinder-Liga verblies, von einem V8 verdrängen lassen?
Davon konnte zum Debüt des Porsche 928 Anfang 1977 zwar noch keine Rede sein, denn das komfortable Coupé spielte eher in der Klasse sanfter Gewalt von Jaguar XJ-S oder Aston Martin und sollte nur den Urtyp 911 ersetzen. Allerdings wäre mit dessen Abgang auch der Abschied des weltweit ersten Seriensportlers mit Abgasturboaufladung erzwungen worden. Deshalb zeigte der Über-Elfer sofort Flagge durch eine Leistungssteigerung um 60 PS. Dies genügte für 250 km/h, neue Fabelwerte in der Beschleunigung und damit eine klare Deklassierung des schwergewichtigeren und gerade 230 km/h flinken Stallkameraden mit 176 kW/240 PS leistendem 4,5-Liter-V8. Der aber ja vorläufig eine andere Käufergruppe erreichen wollte als der Turbo-Dampfhammer.
Im Modelljahr 1980 änderte sich das friedliche Miteinander, denn nun gab es den 928 als spoilerbewehrten „S“, den eine Krafteruption auf 221 kW/300 PS aus 4,7 Liter Hubraum brachte. PS-Gleichstand mit dem Turbo, der nicht nachlegen durfte, seine Legende aber durch zahllose Triumphe und Titel auf Rennstrecken fortgeschrieben hatte und als Heckmotor und Heckantriebs-Supersportwagen auf der Straße eine Alleinstellung hatte. Formel-1-Weltmeister und Autotester Niki Lauda gab dazu einst die enthusiastische Empfehlung: „Der Laie sollte die Finger von diesem Auto lassen“. Stattdessen rühmte sich die nun auch mit automatischem Getriebe lieferbare Nachschärfung 928 S, schnellstes Automatik-Auto der Welt zu sein.
Welches ist der optimale Sportwagen, 911 oder 928? Diese Frage stellte sich neu, als unter dem 1981 inthronisierten Vorstandsvorsitzenden Peter W. Schutz der vorläufige parallele Fortbestand beider Baureihen entschieden wurde. Der Turbo-Look wurde deshalb ab September 1984 auch für 911 Targa und Cabrio angeboten, unter der Heckklappe arbeitete aber weiterhin ein Sauger. Erst vor genau 30 Jahren gab es auch für die Frischlufttypen den KKK-Turbolader mit 300 PS. Zugleich wartete der 928 als S4 schon mit fünf Litern Hubraum und 235 kW/320 PS auf. Die Rivalität zwischen den Super-Porsche kulminierte, was die Medien zum Kommentar veranlasste, gleich nach der Perfektion des 928 käme die Langeweile. Und gegen diese gäbe es zum Glück den 911 Turbo.
Das wollte sich der 928 aber nicht gefallen lassen und fuhr deshalb in letzter Ausbaustufe 1992 in eine eigene Klasse, so wie der 911 Turbo von Beginn an. Mit 257 kW/350 PS starkem 5,4-Liter-Motor und der Typenkennung GTS erreichte der 928 ein sensationelles Drehmoment von 500 Nm. Damit war der 275 km/h schnelle V8 auf der Piste eine Macht – die kein Gran Turismo brechen konnte. Gleichzeitig durfte der 911 Turbo nach langer Leistungs-Stagnation aufrüsten und als 280 km/h schneller 3,6-Liter-Turbo mit 265 kW/360 PS die Stuttgarter Vmax-Spitze markieren. Drei Jahre später überließ der 928 dem 911 aber endgültig das Feld. Dass der gescheiterte Elfer- und Turbo-Erbe dennoch ein echter Porsche ist, zeigen die seit einigen Jahren steil steigenden Kurse für klassische 928.
Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: Porsche/SP-X