Gerhard Schröder war immer für eine Schlagzeile gut – mit seinem Privatleben: Ein prominenter Politiker, mehrfach verheiratet und folglich in einer Patchwork-Familie lebend. Das zieht öffentliches Interesse nach sich. Von Helmut Kohl ist bekannt, dass er seine Familie der Öffentlichkeit keineswegs vorenthielt. Unvergessen die medial wirksamen Fotos von den Urlauben am Wolfgangsee. Und wer den Ehemann von Angela Merkel in einem Zeitungsartikel porträtieren möchte, hat keine leichte Aufgabe – Joachim Sauer hat mehrfach klar geäußert, kein Kanzlergatte zu sein.
Die Regierenden in Deutschland haben seit Konrad Adenauer die Zeit, in der sie lebten, stets in hohem Maße selbst gespiegelt. Das ist die verblüffende Erkenntnis, die sich aus dem Buch von Jochen Arntz und Holger Schmale ziehen lässt. Die Autoren sind nicht auf der Suche nach Sensationen, sie bewerten auch nicht die Lebensmodelle der porträtierten Bundeskanzler bzw. Bundeskanzlerinnen. Aber je weiter die Zeit voranschreitet, um es ein wenig pathetisch zu sagen, umso vielfältiger werden die Lebensmodelle, die man wählen kann – und die eben auch von Politikern gewählt werden.
Die Entwicklung, die hier sehr spannend beschrieben wird, lässt sich exemplarisch gut darstellen, wenn man zu Konrad Adenauer zurückgeht: Vater von acht Kindern zu sein – das war für seine Zeit durchaus üblich. Undenkbar hingegen die Frau in der Öffentlichkeit, der Mann im Hintergrund. Fast 70 Jahre nach Adenauers Amtsantritt haben sich dei Verhältnisse nahezu umgekehrt: Dass Partnerschaften eher auf Zeit geschlossen werden, ist mehr Regel als Ausnahme. Eine Ausnahme ist hingegen die kinderreiche Familie.
Jochen Arntz/Holger Schmale: Die Kanzler und ihre Familien. Wie das Privatleben die deutsche Politik prägt. Du Mont Verlag; 22 Euro.