Buchtipp – McGinley: Bogmail

Beitragsbild
Foto 1

Irland gilt aus gutem Grund als Land der Erzähler und Dichter schlechthin. Phantasie gilt dort nicht als weltferne Spinnerei, sondern ist absolut gesellschaftsfähig, Skurriles immer gefragt. Literarische Exporte wie (natürlich) James Joyce, Flann O'Brien und der hierzulande nicht allzu bekannte Brendan Behan bezeugen das hierzulande, um nur drei zu nennen. Im Land selbst erlebt man Skurrilitäten noch ganz anderer Art: Da erhebt im Bed % Breakfast im Frühstücksraum die Gastgeberin schon mal die Stimme, um den Gästen eine irische Ballade vorzuträllern, andere erzählen freimütig (und spannend), auf welchen Umwegen sie zu B&B-Anbietern wurden…und…und…und…

Es heißt also sehr viel, wenn ein irischer Roman bei seinem Erscheinen für einen handfesten Skandal sorgt. So geschehen bei Bogmail von Patric McGinley anno 1978. Und der liegt nun auf Deutsch vor, übersetzt vom erfahrenen Irland-Kenner Hans-Christian Oeser.

Der Ire McGinley, bei Erscheinen des Romans 41 Jahre alt, blickt tief in die seelischen Abgründe der Bewohner eines Dorfes. Er versteht es, die Thekengespräche im Pub auch zwischen den Zeilen zu entschlüsseln und weiß, dass es da nicht bloß um Guinness, Cider, Stew und Black Pudding geht. Letzerer ist ein ganz guter Vergleich – bei dem, einer zu allen Tageszeiten beliebten Blutwurst-Variante, weiß man auch nie so genau, was drin ist. Mit den Gedanken der Mitmenschen ist es oft genug genau so.

Vor allem, wenn sich die Gedanken um Mordpläne drehen. Und wenn als Mordwaffe die Giftpilze nicht funktionieren – so weit, so klassisch, dann muss Plan B her. Im Falle von Bogmail ein Band der bekannten Encyclopaedia Britannica. Und schon steht der Leser vor einem klassischen Krimi, der allerdings auch Elemente einer Komödie und einer philosophischen Abhandlung hat. Und das ist dann doch schon wieder so herrlich irisch, dass man sich den Skandal von damals kaum noch vorstellen kann oder mag.

Patrick McGinley: Bogmail. Steidl Verlag; 24 Euro.

Scroll to Top