Recht: Flug überbucht – und dann?

In den USA sorgt derzeit ein Vorfall für Aufsehen, der sich in einem Flugzeug von United Airlines zugetragen hat. Der Flug war überbucht und nicht alle Passagiere konnten mitfliegen. Da niemand freiwillig zurücktrat, wurde ein Passagier per Zufall bestimmt – und von Sicherheitskräften mit Gewalt aus dem Flugzeug gezerrt. Ein Rechtsanwalt erklärt, ob so etwa auch hierzulande passieren kann und welche Rechte Fluggäste bei einer Überbuchung genießen.

Sie hatten ein gültiges Flugticket und durften trotzdem nicht mitfliegen? Dann war der Flug wahrscheinlich überbucht. Das ist ärgerlich – kann aber lukrativ sein.

Indem sie einen Flug überbuchen, wollen Fluggesellschaften sicherstellen, dass der Flug ausgelastet ist, auch wenn nicht alle Passagiere erscheinen. Kommen doch alle zum Abflug, kann nicht jeder Passagier mitgenommen werden. Tritt dann niemand – gegen eine Entschädigung – freiwillig zurück, werden die überzähligen Passagiere beim Check-in oder beim Boarding abgewiesen.

„Sogenannte Nicht-Beförderungen kommen immer mal wieder vor, allerdings sehr selten“, sagt Rechtsanwalt Holger Hopperdietzel, Experte für Reiserechte und Mitglied im Deutschen Anwaltverein (DAV). Der Fall bei United Airlines sei wahrscheinlich auf ein Versäumnis bei der Zugangskontrolle zurückzuführen. „Normalerweise kommt es gar nicht so weit“, fügt er hinzu. Dass sich ein Vorfall wie in den USA auch in Deutschland ereigne, sei sehr unwahrscheinlich.

Das Bodenpersonal weiß in der Regel schon bei der Sitzplatzzuweisung, dass der Flug überbucht ist und nicht alle Passagiere mitfliegen könnten. Wer dann als letztes eincheckt oder ans Gate kommt, wird nicht mitgenommen.

In diesem Fall haben Fluggäste bei einer Überbuchung Anspruch auf eine Entschädigung. Das regelt die Europäische Fluggastrechteverordnung. Demnach müssen zurückgelassene Passagiere einen finanziellen Ausgleich erhalten. Die Höhe richtet sich nach der Flugstrecke: Für die Kurzstrecke (bis zu 1.500 km) gibt es 250 Euro, für die Mittelstrecke (bis 3.500 km beziehungsweise innerhalb der Europäischen Gemeinschaft) 400 Euro und für die Fernstrecke beziehungsweise für Flüge außerhalb der EU 600 Euro.

Zudem haben die Fluggäste ein Recht auf Unterstützungsleistungen wie Getränke oder Mahlzeiten. Der Beförderungsanspruch bleibt dabei bestehen: Die Fluggäste des überbuchten Fluges können auf den nächsten Flug ausweichen. Geht dieser erst am nächsten Tag, haben sie das Recht auf eine Hotelübernachtung und den Transfer zum Hotel.

Doch was passiert, wenn man mit dem Partner oder Kindern unterwegs ist und einer der Fluggäste aufgrund der Überbuchung nicht mitfliegen kann: Dürfen die Reisenden dann geschlossen zurücktreten oder, zulasten anderer Passagiere, gemeinsam ins Flugzeug? „Wie die Fluggesellschaften dann verfahren beziehungsweise wie ein Richter bei einem Verfahren entscheiden würde, hängt vom Einzelfall ab“, sagt Rechtsanwalt Hopperdietzel. Könne bei einem kinderlosen Paar beispielsweise nur einer mitfliegen und der nächste Flug gehe in zwei Stunden, könne es zumutbar sein, die Reisenden zu trennen.

Auch dass von einer Familie ein Erwachsener mit den Kindern vorausfliege und der zweite ein paar Stunden später nachkomme, könne zulässig sein. Anders sieht es aus, wenn die Reisegruppe sich aus irgendeinem Grund nicht trennen kann, zum Beispiel weil die Reiseunterlagen nur einmal vorliegen. Auch wenn es bis zum nächsten Flug länger als einen Tag dauert, kann es rechtens sein, dass die Reisegruppe zusammen bleibt. Und natürlich kann Kindern nicht zugemutet werden, alleine zu fliegen oder auf den nächsten Flug zu warten.

Wie es nun mit dem Fall der United Airlines weitergeht, muss sich zeigen. Der CEO der Fluggesellschaft, Oscar Munoz, entschuldigte sich per Twitter bei dem Passagier. Wie er schrieb, arbeitet die Gesellschaft gemeinsam mit den Behörden mit Hochdruck daran, den Fall zu untersuchen.

Copyright: Verkehrsrechts-Anwälte im Deutschen Anwaltverein

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