Semper et ubique. Allradler, die sich immer und überall durchsetzen, haben japanische Automarken weltweit bekannt gemacht. Was Toyota, Nissan und Mitsubishi mit großen Geländegängern schon kurz nach dem Koreakrieg gelang, wollte Suzuki vor 50 Jahren mit einem 2,98 Meter kurzen Winzling wiederholen. Dazu kaufte der erfolgreiche Kleinwagenproduzent ein Offroad-Konzept des finanziell gescheiterten japanischen Herstellers Hope und entwickelte daraus den ersten Suzuki Jimny LJ. Ein Jeep-ähnlicher (LJ = Light Jeep) Geländehopser für Freizeit, Forst und Militär, der in den 1970er Jahren friedlich den ganzen Globus eroberte und über verschiedene Evolutionsstufen bis heute gebaut wird.
Unter dem Werbeslogan „Hoppla, jetzt komm ich!“ entfachte der Jimny ab 1980 in Deutschland einen Hype, wie ihn die Allradszene nicht für möglich gehalten hatte. Suzuki wurde hierzulande vorübergehend die größte Offroad-Marke und machte das geländegängige Erfolgsmodell zum Begründer einer ganzen 4×4-Familie. Darunter coole Kisten wie der frühe Vitara als SUV-Vorreiter und der aktuelle Ignis als erster Micro-SUV, aber auch schräge Crossover-Typen à la Vitara X-90, von Suzuki selbstbewusst beworben unter dem Slogan: „Love it or leave it.“
Es war der Jimny, der Suzuki zum größten Minicar-Hersteller der Welt machte. Wie der Urvater aller modernen Geländewagen, der amerikanische Jeep, setzt der Jimny bis heute – in mittlerweile fünfter Generation – auf Leiterrahmen, blattgefederte Starrachsen und zuschaltbaren Allradantrieb mit Geländeuntersetzung. Zum Erfolgsgeheimnis des Suzuki zählen aber auch das puristische Design und die ultrakurzen Abmessungen, denn mit unter drei Meter Länge und 1,30 Meter Breite entsprachen die Jimny LJ 10 und LJ 20 bis 1975 als erste Allradler überhaupt der in Japan rechtlich privilegierten sogenannten Kei-Car-Klasse. Aber auch die Weiterentwicklung zum Jimny LJ 80, mit dem Suzuki vor 30 Jahren in Deutschland startete, beanspruchte kaum mehr Grundfläche als etwa die Urversionen der Winzlinge Fiat 500 oder Mini.
Und genau wie diese Kult-Kleinwagen wurde der LJ 80 dank seiner fast schon niedlichen Formensprache zum Liebling der Jugend und der Frauen. Wozu die von Suzuki kreierten Kosenamen Jipsy und Eljot ebenso beitrugen wie die Werbung in Comicform, allen voran phantastische Geschichten wie der Grand Prix von Matschhausen: „Helm auf! Mit wenigen Handgriffen verwandelt Lothar Lehmann das Einkaufsauto seiner Gemahlin in einen rallyefertigen Geländewagen… 800 ccm, 39 PS stark, 3,17 Meter kurz, 825 Kilo leicht… Vor und neben ihm brüllen die hubraumstarken Motoren der bulligen Geländeboliden. Und ab geht die Post, jedoch mancher ist zu lang, einige sind zu schwer und andere werden vom Schicksal ausgesiebt!“. Mit der Vermittlung von Lebensfreude und Open-Air-Lifestyle zum damals konkurrenzlos kleinen Preis war es dem LJ 80 und den etwas größeren Nachfolgern SJ 410 (ab 1982) und SJ 413 (ab 1984) ein leichtes, auf dem europäischen Allrad- und Cabriomarkt ganz nach vorne zu fahren. Waren doch bezahlbare Cabriolets Anfang der 1980er Jahre fast ausgestorben. Da trafen die preiswerten Suzuki-Verdeckträger sofort ins Schwarze – vorausgesetzt, deren Besatzung scheiterte nicht an der mühseligen Prozedur, Plane und Verdeckgestänge abzunehmen.
Wer erinnert sich nicht an den Filmspot von 1986, in dem ein Audi quattro eine steile Skisprungschanze erklimmt? Eine Leistung, die dem Suzuki SJ 410 in der Printwerbung schon fünf Jahre früher gelang. Unter dem Slogan „Wo ein Suzuki SJ 410 ist, ist auch ein Weg“ fragt die Copilotin: „Erich, hast Du auch auf Allradantrieb geschaltet?“ Erich ganz cool: „Wozu, die Fahrbahn ist doch trocken.“ Und die Tochter grinst dazu: „Du Papi, den Sportwagen aus Italien haben wir jetzt abgehängt.“ Was allein auf der Schanze möglich war, denn auf der Autobahn brachte es Deutschlands damals populärster Geländewagen nur mit Mühe auf Tempo 110. Weshalb der 1985 eingeführte SJ 413 in der Leistung fast um 50 Prozent erstarkte auf 47 kW/64 PS, gerade genug um im Verkehr mitzuschwimmen.
Wirklich akzeptables Temperament bot erst die 1988 eingeführte Evolutionsstufe SJ Samurai. Dafür kündigte sich mit dem Samurai ein anderes Problem an. Der Geländewagen geriet in den USA in eine Debatte über Kippsicherheit bei Ausweichmanövern und Unfällen. Einen nachhaltigen Rufschaden konnte Suzuki durch die rasche Präsentation des größeren und fahrsicheren Modells Vitara abwenden. Der SJ Samurai dagegen erhielt erst 1998 einen Nachfolger – in Form der noch heute aktuellen Jimny-Generation. Erstmals darf sich der kleine Geländewagen jetzt auch in Deutschland offiziell Jimny nennen. Vielleicht ein gutes Omen für den scheinbar ewig jungen Offroader, der bis heute ohne ernsthafte Wettbewerber geblieben ist.
Anders sieht es beim Vitara aus, der 1988 als erstes SUV aus dem Haus Suzuki vorgestellt wurde unter dem Motto „All you need is life“. Lifestyle und schicke Formen für Fahrten über Großstadtboulevards oder zur Berghütte, dafür steht der Vitara auch vier Generationen und knapp 30 Jahre später noch. Wie bei anderen SUV gibt es heute Allrad aber nur noch optional, anfangs dagegen waren die Offroadqualitäten des Vitara mit Leiterrahmen, zuschaltbarem 4×4-Antrieb und Untersetzungsgetriebe ebenso einzigartig wie sein Gesamtsieg 1996 beim legendären Pikes-Peak-Bergrennen in den USA.
Im Kern konzentriert sich Suzuki seit jeher auf seine Rolle als weltgrößte Minicar-Marke, was aber gelegentliche Eskapaden nicht ausschließt. Etwa 2003, als der Vitara auf fast fünf Meter gestreckt wurde und zum Grand Vitara XL-7 mutierte. Der passende Antrieb: Ein 135 kW/184 PS starker, aber durstiger 2,7-Liter-V6. Auch schräge Abwege scheute der Vitara nie. So fuhr er 1995 als zweisitziger X-90 ins Rampenlicht und zugleich in eine Sackgasse. Mit schrillen Farben, angedeuteter Stromlinie, herausnehmbarem T-Roof und keckem Heckspoiler zeigte der X-90 allen SUV-Konkurrenten, welche Marke über die kreativste Kompetenz bei kompakten Allrad-Modellen verfügt. „Sicher nichts für jeden“, meinte die Werbung zurecht. Am Ende waren es aber zu wenige, die „lieber mal gegen den Strom schwimmen“.
Ein Schicksal, das der gefällige Allradler SX4 von 2006 und sein 2013 lancierter moderner Nachfolger SX4 S-Cross, nicht fürchten mussten, entsprechen diese kompakten Crossover doch dem Massengeschmack. Was letztlich auch für den markanten Mini-Crossover Ignis zutraf, der 2001 lanciert wurde und anfangs sogar beachtliche Rallyeerfolge erzielte. Produziert wurde die ersten beiden Ignis-Generationen wie auch der SX4 für den europäischen Markt in Ungarn. Dagegen ist der seit Januar 2017 angebotene dritte Ignis wieder ein echter Japaner, was sich vielleicht auch in den Formen dieses 3,70 Meter kurzen Micro-SUVs spiegelt. Zitiert das Design doch vergangene Kei-Car-Helden, die Europäern kaum bekannt sind, die aber Suzuki zum größten Konstrukteur kleiner Kletterkünstler machten.
Wolfram Nickel/SP-X