Buchtipp – Formanek: Die Wahrheit sagen

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Ein Mann mit einer ungewöhnlichen Eigenschaft, die er nicht abstellen kann. Ein Lebenslauf (wenigstens teilweise als Folge davon), der alles andere als langweilig ist. Das kennt man, zum Beispiel, aus Forrest Gump.

Politische und wirtschaftliche Wirrungen beeinflussen das Leben von Menschen in allen Gesellschaftsschichten. Klingt simpel, ist es aber nicht. Wie das aussehen kann, kennt man, zum Beispiel aus Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz oder John Dos Passos' Manhattan Transfer oder dem noch wuchtigeren USA desselben Autors.

Wuchtig ist auch der erste Eindruck, der mir nach Josef Formaneks Die Wahrheit sagen blieb. Im Mittelpunkt des rund 470 Seiten starken Werks steht Bernhard Mares. Ein Mann, der immer die Wahrheit sagt – so steht es auch im Klappentext. Ein Mann mit einer ungewöhnlichen Eigenschaft, vergleichbar Forrest Gump, obwohl Vergleiche immer mehr oder minder hinken. Ein Mann, in dessen Leben nichts, aber auch gar nichts normal oder unspektakulär gelaufen zu sein scheint. Das beginnt schon bei seiner Geburt – in der Straßenbahn. Später gerät der um 1920 geborene Mares in die Gefangenschaft der SS, noch später wird er Mitarbeiter der tschechischen KP. Er versucht sich noch in allerlei Tätigkeiten. Bis er schließlich, als sehr alter Mann, Gelegenheit bekommt, auf sein Leben zurückzuschauen.

Am Beispiel des Bernhard Mares hängt Josef Formanek das ganze 20. Jahrhundert auf. Er tut das nicht chronologisch, sondern montiert – wie seinerzeit Döblin und Dos Passos – verschiedene Erzähl-Ebenen zusammen. Dass manche Passagen kursiv gesetzt sind, macht die Lektüre nicht einfacher.

Die Wahrheit sagen ist ein anstrengendes Buch. Aber auch lohnend, nicht nur wegen der überwiegend mutig-drastischen Sprache, sondern weil man es auch als ganz ungewöhnliche Lektion in Geschichte lesen kann.

Josef Formanek: Die Wahrheit sagen. Gekko World; 23 Euro.

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