Spontan habe ich mich beim Hören an sein Album Alleingang aus den Achtzigern erinnert – vor allem stimmlich, und so ist beim Hören kaum zu glauben, dass der Mann im Dezember 74 wird. Eine Zahl, die deutlich macht, dass Reinhard Mey seit fast 50 Jahren die Szene deutscher Liedermacher mit prägt und heute wohl als der bekannteste gelten darf.
Mr. Lee zeigt ihn einmal mehr als Chronisten des unauffälligen Alltags, der bei genauem Hinsehen doch so viel über uns verrät: Wenn's Wackersteine auf dich regnet, Herr Fellmann, Bonsai und ich – manchmal kommt man ins Schmunzeln, häufiger aber ins Nachdenken. Und das alles in totaler musikalischer Unaufdringlichkeit, leise und gerade deshalb unüberhörbar.
Zeit zu leben hat er vom Kollegen und Freund Klaus Hoffmann nicht gecovert, sondern auf seine Art interpretiert. Lavender's Blues ist eigentlich ein englisches Wiegenlied. Beide Titel sind auch deshalb eine besondere Erwähnung wert, weil hier Meys jüngste Tochter mitwirkt.
Erinnert sei auch einmal daran: Leicht hat es Reinhard Mey nicht immer gehabt. Oft genug wurde ihm vermeintlich fehlende Ernsthaftigkeit ebenso vorgeworfen wie nicht vorhandener Tiefgang. Es mag daran gelegen haben, dass er schon früh kommerziell erfolgreich war – das mag mancher als unvereinbar sehen mit dem Tun eines Liedermachers. Was die Kritiker übersehen, ist: Reinhard Mey hat nie mit seiner Meinung hinterm Berg gehalten, sich um der Sache willen auch unbeliebt gemacht, statt einfacherdings jedermanns Liebling zu werden. Besonders deutlich wird dies an seiner unverbrüchlichen Solidarität und Freundschaft zu Hannes Wader, gerade in einer Zeit, als der, weil politisch verdächtig, einem regelrechten Medienboykott ausgesetzt war.
Reinhard Mey: Mr. Lee. (Odeon)