Power, Party und PS: Ein Besuch bei den 24h-Fans auf den Campingplätzen

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Es ist eine ganz eigene Atmosphäre in dieser Woche rund um die Nordschleife: Zwischen der Hatzenbach direkt hinter der GP-Strecke bis nach Hohenrain, bevor es runter von der Schleife auf die GP-Strecke geht, ist tagelang gute Laune und Motorsportfeeling im Überschuss angesagt: Für die meisten der Zehntausenden von Fans ist das 24h-Rennen nämlich weit mehr als nur Motorsport. Es ist vor allem ein Stück praktizierter Lebensfreude.

Der Ring und die Region sind eins: Nirgendwo dokumentiert sich das besser, als Fronleichnamsmorgen in Müllenbach, zwei Kilometer von der Strecke: Die freiwillige Feuerwehr hat die Hauptstraße für die Prozession abgesperrt, in einer Seitenstraße ist ein wunderschöner Blumenteppich inszeniert. Geduldig warten die anreisenden Fans, die meisten mit Motorsportshirt gekleidet und mit Zubehör für die nächsten vier Tage ausgerüstet, bis die Gläubigen vorbei gezogen sind. Und einer der Feuerwehrleute sagt mit Bestimmtheit: „Ihr wartet jetzt mal in Ruhe, bis der Herrgott durch ist.“

Um diese Zeit hat Reiner („Ich bin hier der Chefkoch“) auf einem der vielen Campingplätze schon die Steaks auf dem Grill fertig. „In diesem Jahr sind wir zum ersten Mal wieder in der Ur-Besetzung wie von Anfang an am Ring“, sagt Paul. Seit 15 Jahren ist das Quartett aus der Nähe von Blankenheim bei dem Ringklassiker vor Ort. Reiner, Paul, Lukas, Kerstin und Daniel sind nicht nur eingefleischte Opelaner, sondern auch – wie unschwer an ihrer großen Flagge am Eingang zum Vorzelt zu erkennen, Gladbach-Fans.

Am Mittwoch sind sie gekommen, jetzt freuen sie sich auf eine fünftägige Party. „Das Schöne an diesem Rennen ist das Familiäre. Du lernst Leute kennen, rings um dich herum, die alle gleich gesinnt sind. Jeder hilft jedem, wenn was fehlt. Wir kriegen Rennatmosphäre mit, haben trotzdem Party und einfach nur Spaß.“ Das sei das Gute am Motorsport, sagen alle fünf, dass bei diesem Rennen trotz aller Markenvielfalt und der riesigen Konkurrenz unter den Teilnehmern alles friedlich verlaufe. „Das ist hier nicht wie im Fußball bei den feindseligen Derbies. Hier haut keiner dem anderen auf die Schnauze.“
Dennoch bemängeln sie als langjährige Kenner der Szene, dass „das Rennen viel von seiner Urtümlichkeit verloren hat. Ein Drittel der Teilnehmer sind mittlerweile Profis. Die Industrie steckt Unsummen da rein. Wir haben uns in den Siebziger Jahren ein Rennfahrzeug in der Garage zusammen gebastelt und sind damit zum Ring gefahren.“ Aber das, sagt Paul, „glaubt Dir heute sowieso keiner mehr.

Ein paar Meter weiter ist eine unternehmungslustige und gut gelaunte Truppe aus Köln und Umgebung. Ein (oder auch mehrere) Kölsch auf dem Campingplatz haben bereits die Runde gemacht. Auch diese Gang ist seit Jahren Stammgast. Sie sind für alles gerüstet, nicht nur was essen und trinken angeht: Sonnenmilch, ein geheimnisvolles Döschen mit der Aufschrift: „Überlebenspaket“ und „was die Kleiderkammer zu Hause hergibt: T-Shirts, Regencapes und lange Unterhosen. Brauchste alles hier oben.“

Daneben proben schon ein paar belgische Fans das Feiern. Aus de Haan, einem großen Touristenort an der Nordseeküste seien sie, erzählen sie uns. Der Besuch beim 24h-Rennen sei für sie einfach in jedem Jahr ein Muss. Atmosphäre, Leute, Stimmung, das friedliche Miteinander, dazu das ständige sonoren Summen und Brummen von der Nordschleife. Vor allem nachts, wenn überall von den anderen Plätzen her und von der Strecke die Lichter flirren und zucken, wenn alles so unwirklich im Halbdunkel ist und doch nie irgendwo Ruhe einkehrt. Das gibt es nur hier.“

Und wenn das Rennen rum sei, hätten die Belgier ja in diesem Jahr noch etwas zu feiern. Hoffen sie zumindest. Und dann stimmen sie einen Song auf flämisch an, den unsereiner zwar nicht versteht, den Inhalt aber zumindest erahnen kann. Das klingt so ähnlich wie „Ohne Holland fahr’n wir zur EM.“ – Ein bisschen gut gemeintes Frotzeln darf also auch sein beim größten Rennen der Welt.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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