Märkisches Dampfspektakel: Eine historische Schau

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In Berlin und Umgebung erlebten Hunderttausende Menschen das vergangene Wochenende in der freien Natur. Bei Kaiserwetter besuchten Zehntausende Autofans die Oldtimertage Berlin-Brandenburg in der Classic Remise im Stadtteil Moabit. Andere fuhren ein bisschen weiter und tauchten ebenfalls in die Geschichte ein: Tausende oder gar Zehntausende Menschen „ankerten“ im brandenburgischen Mildenberg im Ziegeleipark, um die 100 Kilometer von der Bundeshauptstadt entfernt.

Das Motto des Spektakels „Dampfmaschinen im Einsatz“ ließ die Gäste fast vor Ehrfurcht erstarren, denn sie erlebten hautnah, wie Menschen vor gar nicht allzu langer Zeit im wahrsten Sinne des Wortes schuften mussten. Vier große originale Dampfmaschinen trieben historische Maschinen an: ein Sägewerk, einen Dreschkasten, einen Steinbrecher und einen Schmiedehammer. Bei spannenden Experimenten wurde die Funktionsweise der gigantischen fauchenden, zischenden und qualmenden Maschinen erklärt. Die Lok „Luzi“ von der Parkeisenbahn Lauchhammer fungierte als „Dampfmaschinen-Express“ und brachte Gäste fauchend ganz bequem zur Ziegellei Stackebrandt auf dem riesigen Gelände des Ziegeleiparks. An beiden Tagen begeisterten die Besucher eine Dampfmodellausstellung, ein Oldtimer-Ersatzteilemarkt, ein Modelleisenbahn- und Modellautomarkt sowie ein Handwerks- und Trödelmarkt.

Mildenberg machte Technik wirklich erlebbar. Im Wettbewerb des Industriezeitalters sei vieles verloren gegangen – der Zehdenicker Ortsteil Mildenberg im Landkreis Oberhavel holt einiges davon zurück. So die schweren, schnaufenden Walzen und Traktoren, die in ihrer kraftvollen Behäbigkeit wie Dinosaurier wirken. Hinter jedem Zischen und jeder Dampfwolke, die aus den Rohren pufft, steht ein Team, das oft in jahrelanger Filigranarbeit die dampfenden Oldtimer wiederbelebte.

Die meisten Teile müssen selbst angefertigt werden, also selber drehen, fräsen oder schleifen. Oft vergehen Jahre, bis solch ein Exemplar von seinem Besitzer einen Messepublikum präsentiert wird. Die Besitzer frönen ihrer Leidenschaft, sind im „wahren Leben“ als Bäcker, Ingenieur oder Therapeutin unterwegs.50 Aussteller aus ganz Deutschland, den Niederlanden, Österreich und aus Großbritannien präsentierten ihre Dampfrösser. Gleich am Eingang war ein Sägewerk aus dem Jahr 1930 in Aktion und zerlegte riesige Baumstämme in Holzbohlen. Das Sägewerk wurde durch eine seltene Dampflokomotive aus dem Jahr 1911 angetrieben. Der Traktorenclub „Ackerkralle“ zeigte, wie um 1900 Steine gebrochen wurden. An einem anderen Standort demonstrierten niederländische Aussteller, wie mit Dampflokomobil und Dreschkasten die Spreu vom Weizen getrennt wurde. Auf dem gesamten Gelände liefen die Heizer zur Hochform auf, denn die Dampfmaschinen waren ständig mit Kohlen zu befeuern.Zu bestaunen war eine 2 Zylinderheißdampf-Straßenzugmaschine für Personenbeförderung. Die Bauart erfolgte teilweise nach US-amerikanischem Vorbild. Das Modell hat einen geschweißten Kessel, der Betriebsdruck beträgt 8 Bar und besitzt zwei Vorwärtsgänge und ein Differenzialgetriebe. Die Räder sind mit Gummi aufvulkanisiert (im Original liefen diese Maschinen auf Eisenräder). Die Maschine wiegt rund 200 Kilogramm, ist rund 120 cm lang, 50 cm breit und kann eine Tonne schleppen. Die Bauzeit betrug mehr als 3.000 Stunden.Der Stroomlocomobil von 1898 mit der Fabrikatsnummer 30436 wiegt fünf Tonnen. Der Dampfwagen wurde mit leichten Änderungen zum Original nachgebaut: 2 Zylinder, rund 2,5 PS Leistung, der Betriebsdruck maximal 9 Bar.Zu sehen war auch die erste von R. Wolf 1862 ausgeführte fahrbare Lok im Modellmaßstab von 1:5. Das Original steht im Deutschen Museum München. Die Bauzeit für das in Mildenberg ausgestellte Modell. Um die 1.030 Stunden – von 2005 bis 2014.

Auch der 3 Tonnen Wallis & Steevens Dampftraktor „Lena“ von 1905 begeisterte. Von ihm wurden 114 Exemplare gefertigt, davon gibt es auf der Welt vielleicht noch fünf oder sechs. Seine Höchstgeschwindigkeit liegt bei 5 km/h. Er ist halt ein Traktor und kein Rennwagen. Wer solch ein Stück kaufen möchte, muss tief in die Tasche greifen: 80.000 bis 300.000 Euro pro Exemplar, versteht sich!Wieder in Berlin angekommen, fehlten die zischenden Maschinen und vor allem der Duft nach Rauch, der sofort an einstige Ofenheizungen in Wohnungen erinnerte …

Text und Fotos: Erwin Halentz.

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