Buchtipp – Moyes: Ein ganz neues Leben

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Der dicke Mann am Ende des Tresens schwitzt. Er hat seinen Kopf tief über seinen doppelten Scotch gesenkt und sieht alle paar Minuten über die Schulter in Richtung der Tür, und dann erkennt man im Licht der Neonröhren einen feinen Schweißfilm auf seiner Stirn. Er stößt einen langen, zittrigen, als Seufzer getarnten Atemzug aus und wendet sich wieder seinem Drink zu.«Hey. Entschuldigen Sie.» Ich sehe vom Gläserpolieren auf. «Kann ich noch einen haben?» Ich möchte ihm sagen, dass das wirklich keine gute Idee ist. Dass dieses Glas vermutlich das Glas zu viel ist. Aber er ist erwachsen, und wir schließen in einer Viertelstunde, und laut unserer Unternehmensrichtlinien habe ich keinen Grund, seine Bestellung abzulehnen, also gehe ich zu ihm, nehmesein Glas und halte es unter die kopfüber hängende Flasche. Er nickt. «Doppelt», sagt er und wischt sich mit seiner dicken Hand über das schweißnasse Gesicht. «Das macht dann sieben Pfund zwanzig, bitte.

Den Ort des Geschehens, einen Irish Pub auf dem Gelände des Londoner Flughafens, nennt die Ich-Erzählerin so irisch wie Mahatma Gandhi. Und es ist auch keine so anheimelnde Schilderung, erst recht keine romantische!

Es geht auch erst mal ziemlich unromantisch weiter. Wenn dann noch alsbald die Vorliebe der Ich-Erzählerin für Pinot Grigio zur Sprache kommt, denken wir, richtig, an Bridget Jones. Aber Louisa, Joyo Moyes' Heldin, hat zumindest ihr berufliches Leben besser im Griff.

Wie sich dann alles entwickelt, das ist unterhaltsam, dann doch gefühlvoll, natürlich, aber mit jener Portion Ernst, die zum Leben gehört. Vielleicht ist das Moyes' Erfolgsgeheimnis – dass sie nie so tut, als sei alles eitel Sonnenschein bzw. es könne jemals genau das werden im Leben. Es kann ja trotzdem ein schönes Leben werden. Und ein (fast) ganz Neues. Wenn das Alte zu viele Baustellen und Wunden hat.

Joyo Moyes: Ein ganz neues Leben. Wunderlich Verlag; 19,95 Euro.

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