Buchtipp – Bussi: Die Frau mit dem roten Schal

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'Pass auf, Jamal, das Gras auf der Klippe ist bestimmt rutschig!' Mit einem Trenchcoat über den Schultern stand André Jozwiak, der Besitzer des Hotels La Sirène,in der morgendlichen Kälte. Die Quecksilbersäule des Thermometers war kaum über den Nullpunkt geklettert. Nachtfrost überzog das Hotelemblem, einen schmiedeeisernen Segler, das an einem Balken der Fassade hing. Jozwiak betrachtete den Sonnenaufgang über dem nahegelegenen Strand, dessen eng aneinandergepresste Kiesel so aussahen, als hätte ein riesiger Raubvogel seine Eier zurückgelassen. Die vor dem benachbarten Casino geparkten Autos waren mit einer dünnen Eisschicht bedeckt. Jamal entfernte sich mit kleinen, schnellen Schritten. André sah ihn am Casino vorbei- und dann die Rue Jean-Hélie. Anfangs war er ihm seltsam vor gekommen, dieser junge Mann mit nordafrikanischen Wurzeln, der jeden Morgen an den Klippen entlang joggte. Sein eines Bein war muskulös, das andere endete in einer Carbonprothese, die in einem Joggingschuh steckte.

Der rote Schal im Titel bekommt in diesem Buch eine besondere Bedeutung: Er soll das Leben einer Frau retten, was aber gründlich misslingt. Und plötzlich steht der, der die Frau retten wollte, unter Mordverdacht.

Michel Bussi zeigt hier auf besonders beeindruckende Weise, wie schnell sich sogar in der eigenen Wahrnehmung Schein und Sein vermischen können, wie rasend sich Misstrauen ausbreiten kann, wenn gegen alle Tatsachen sämtliche Indizien gegen einen Verdächtigen sprechen. In eine solche Situation kann man ganz fix geraten, da reicht schon ein weit harmloserer Anlass als – wie hier – ein vermeintlicher Mord.

Michel Bussi: Die Frau mit dem roten Schal. Rütten & Loenig Verlag; 14,99 Euro.

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