Eine Winzigkeit genügt, und wir leben in einer anderen (inneren) Welt. Mit wenigen, einfachen Worten konnte Oliver Sacks sein Fachgebiet auch Laien erklären wie kein anderer. Und das in einer Zeit, in der die Neurologie vielfach allenfalls als Anhängsel der Psychiatrie galt, in dem – überspitzt gesagt – nicht viel mehr zu tun war, als EEGs zu schreiben und Schlaganfälle zu diagnostizieren.
So prägnant wie seine Erzählungen waren die Buchtitel: Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte machte ihn bekannt. Der Tag, an dem mein Bein fortging basierte auf seinem eigenen Unfall, nachdem er mit sich selbst so sachlich umzugehen versuchte, wie es eben mit anderen Patienten nötig war. Auch Erkenntnisse über Migräne verdanken wir ihm – gilt doch diese wirklich quälende Kopfschmerzform bis heute noch hier und da als eingebildetes Leiden überspannter Mitmenschen. Von wegen.
Spät erst, vor wenigen Monaten, hat er erzählt, was er in seiner langen Karriere stets unter Verschluss hielt – sein persönliches Leben. Die wichtigste Erkenntnis: Auch ein exzellenter Neurologe muss kein Säulenheiliger sein, kann der Versuchung nachgeben, Drogen zu nehmen und darf sich auch sonst manche Schwächen leisten. Die Offenheit, mit der Oliver Sacks erzählt, legt den Schluss nahe, dass aus seiner Haltung viel Empathie für seine Patienten erwachsen ist.
Mit dem eigenen Tod hat der lebenslange passionierte Schwimmer gerechnet. Schwimmen war sein Sport, ihn so lange wie möglich ausüben zu können, war ihm als Kompass für die eigene Gesundheit vielleicht wichtiger als Befunde und Prognosen. Neun Jahre trotzte er einer Krebserkrankung, bis er am 30. August an deren langfristigen Folgen 82-jährig verstarb. So ist er auch in seinem letzten, sicher seinem persönlichsten Buch, den Stärken treu geblieben, die ihn – zu Recht – berühmt machten. Eine ehrliche Autobiographie, die Schwächen nicht schönt.
Oliver Sacks: On The Move. Mein Leben. Rowohlt Verlag; 24,95 Euro.