Vor einem Dreivierteljahrhundert wurde die Getriebeautomatik in Amerika als einer der größten Meilensteine der Automobilentwicklung gefeiert. In Europa dagegen begann der Automatik-Boom ganz sanft gut 25 Jahre später. Nach und nach ersetzte die sanft schaltende Wandlerautomatik auch alle bereits vorhandenen Halbautomaten, die noch nicht ohne Schalthebel auskamen. Schick sogar unter Sportwagenfahrern wurden selbsttätige Gangwechsel in Europa aber erst zur Jahrtausendwende.
Tatsächlich war es der Motorsport, der Mitte der 1960er Jahre eine Initialzündung setzte, nach der die Getriebeautomatik allmählich auch in Europa gesellschaftsfähig wurde. Vmax-Tempo und automatische Getriebetechnik konnten also durchaus harmonieren.
Der Getriebeautomat sollte von Anfang an Komfort, Sicherheit und Fahrspaß verbinden. Wollte sein Erfinder, der Kanadier Alfred Horner Munro, doch damit schon 1923 den damals noch schwierigen Gangwechsel bei unsynchronisierten Getrieben erleichtern. Das gleiche Ziel verfolgten ab 1932 die brasilianischen Ingenieure Araripe und Lemos, die ihre Patente für eine Automatik mit Getriebeöl schließlich an General Motors GM verkauften. Noch bevor dort bei Oldsmobile die Hydra-Matic 1940 als erste Vollautomatik in Großserie ging, gab es übrigens Halbautomatik-Getriebe auch bei Luxusmodellen europäischer Marken wie Mercedes-Benz und Peugeot. Den Durchbruch brachten aber die Amerikaner. Als GM 1949 die Auslieferung des einmillionsten Fahrzeugs mit Hydra-Matic feierte, war die Automatik mit Drehmomentwandler bei fast allen US-Marken die populärste Sonderausstattung geworden, ähnlich der Metalliclackierung in heutigen Optionslisten.
Zur Jahrtausendwende waren zähe Gangwechsel, die Automatik-Autos langsam machten, definitiv Technik der abgelaufenen Dekaden. Waren doch manche Modelle mit spritziger DSG-Schaltung, aber auch mit elektronisch regulierten Gangwechseln endgültig schneller als von Hand geschaltete Versionen. Und sogar sparsamer. Denn von nun an sind es auch die Emissions- und Verbrauchswerte, die technische Entwicklungen vorantreiben. So gab es auf der einen Seite Hybridpioniere wie den Toyota Prius mit CVT-Getriebe, andererseits Wandlerautomaten, die sich ein Wettrüsten der Gangzahl lieferten. 2001 debütierte der BMW 7er mit dem weltweit ersten Sechsgang-Automatikgetriebe, entwickelt von ZF.
Nur zwei Jahre später debütierte dann bei Mercedes-Benz Achtzylinder-Typen die sogenannte 7G-Tronic als erste Siebengang-Automatik. Was dem mehrheitlich zu Toyota gehörenden global größten Getriebe-Giganten Aisin AW keine Ruhe ließ bis 2007 der Lexus LS 460 mit Achtgang-Automatik erschien. Zwölf Monate danach folgte ZF mit einem ebensolchen Automaten, der auch mit Hybridsystemen koppelbar war. Aktueller Höhepunkt ist jedoch eine Neungang-Automatik, die im Range Rover Evoque, Honda CR-V und Jeep Cherokee eingeführt wurde. Längst ist das herablassende Lächeln selbsternannter Autoexperten gegenüber bekennenden Automatik-Käufern verschwunden.
Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: ZF/SP-X