Charlys PS-Geflüster

Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Deutschland gilt (zu Recht?) als ein verordnungswütiges Land, in dem alles geregelt, fixiert, festgehalten, aber auch sanktioniert wird. Das ist nicht nur, aber auch beim Autofahren so. Und das ist gut so, denn nur so kann man dem immer dichter werdenden Aufkommen von Pkw und Lkw auf unseren Kreis-, Land-, Bundesstraßen und Autobahnen eine Struktur verleihen, die ein sicheres und möglichst zeitnahes Vorwärtskommen von Punkt A nach B garantiert. Wenngleich auch viele Gesetzeslagen oder deren Umsetzen in die alltägliche Praxis sicherlich verbesserungsbedürftig sind und zu manchen skurrilen Possen Anlass gegeben haben.

Dieser Tage kommt aber eine Vollzugsmeldung in Sachen Paragrafen nicht aus dem Bundesverkehrs-Ministerium, sondern auch Brüssel. Und sie beendet ein seit Jahren immer wieder von allen Seiten „durchgekautes“ Thema, bei dem vor allem die Datenschützer richtige Bauchschmerzen bekommen haben. Ab 2018 wird der Autonotruf „eCall“ Pflicht für Neuwagen. Vor wenigen Tagen stimmte das EU-Parlament abschließend für das neue System, mit dem nach Schätzungen der EU-Kommission die Zahl der Unfalltoten um zehn Prozent verringert werden könnte. Ursprünglich hätte das System schon im Oktober dieses Jahres umgesetzt werden sollen.

„eCall“ soll bei einem Unfall sofort den einheitlichen europäischen Notruf 112 auslösen. Dadurch sollen die Ersthelfer auch dann schnell zum Unfallort gelangen, wenn der Fahrer nicht mehr in der Lage ist, sich zu melden und seinen Standort durchzugeben. Nach Schätzungen der EU-Kommission gab es im vergangenen Jahr mehr als 25.000 Tote bei Verkehrsunfällen.
Angeblich soll, so berichten verschiedene Medien, der Datenschutz bei der Debatte im EU-Parlament der wichtigste Aspekt gewesen sein. Aber, so die Gesetzgeber: Das System soll nur bestimmte Daten weitergeben, darunter Ort und Zeitpunkt des Unfalls, die Fahrtrichtung, die Zahl der Insassen und die Art des Treibstoffs (Benzin, Diesel, Hybrid oder E-Fahrzeug.) Das System sei ein sogenanntes „schlafendes Notrufsystem“ und sammele keine Megadaten, die für die Erstellung von Bewegungsprofilen genutzt werden könnten.
Es gibt nicht wenige Kritiker, die damit die Persönlichkeitsrechte des Autofahrers und als nächsten Schritt auch schon unsere gesamte freiheitlich demokratische Grundordnung gefährdet sehen. Zudem vermuten nicht wenige, dass die Autobauer das Installieren des Systems durch eine Preisanhebung auf ihre Kunden weiter geben werden.

Ich kann, liebe Leserinnen und Leser, diese Argumente, genau so wenig entkräften wie die Aussicht, dass unsere Rettungsdienste infolge eines technischen Fahlalarms immer wieder unnütz irgendwo hin gerufen werden. Aber ich weiß: Sollte ich einmal in die Lage geraten, dass ein solches System meine Leben rettet, dann wäre ich auch bereit, alle möglichen Nachteile in Kauf zu nehmen. Der gläserne Bürger ist ohnehin nur noch um wenige Bits und Bytes von uns entfernt. Wir werden dessen systematische Überwachung und kommerzielle Ausbeutung nicht mehr verhindern können. Aber es gibt Beispiele – und dieses System ist bei allen seinen „Baustellen“ eines – bei dem die positiven Aspekte überwiegen.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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