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Viel Feind, viel Ehr, könnte auch Enzo Ferraris Wahlspruch gewesen sein. Wurden Ferraris Erfolge als Supersportwagenbauer doch umso größer, je mehr Rivalen seine Racer deklassieren wollten. Andererseits inspirierte ausgerechnet die persönliche Unzufriedenheit mit manchen Schwächen der Sportler aus Maranello italienische Industrielle und Ingenieure, wie Renzo Rivolta überhaupt erst dazu eigene Tempo-Boliden zu konstruieren. Mit Vmax-Ikonen wie Iso Rivolta IR, Grifo, Fidia oder Lele setzten Renzo Rivolta und sein Sohn Piero ab 1964 genau ein Jahrzehnt lang aufregende V8-Kontrapunkte zu den V12-Kämpen von Ferrari, aber auch zu Lamborghini und Maserati.

Als „Kanonengeschosse“ feierten Motorjournalisten die brutal schnellen und zuverlässigen Überflieger aus Bresso bei Mailand, die sogar an der damals für Straßenautos als unbezwingbar geltenden 300 km/h-Grenze kratzten.

Konzipiert wurden die ersten, der stets voll straßentauglichen macchina da corsa von zwei Megastars der italienischen Superautoliga: Giorgetto Giugiaro kreierte bei Bertone die zeitlos-schönen und schnellen Karosseriekleider des GT IR 300 und der kongeniale Konstrukteur und Ex-Ferrari-Mitarbeiter Giotto Bizzarrini zeichnete für das Fahrwerk verantwortlich. Was jetzt noch fehlte, war ein standfester Hochleistungsmotor. Kein wartungsintensiver italienischer V12, sondern ein robuster Amerikaner sollte es sein. Renzo Rivolta wählte den V8 aus der Corvette und machte so seine Kunden glücklich. Was kümmerte da schon der Spott von Ferrari-Jüngern ob des profanen Yankee-Motorenimplantats.

Neben den atemberaubenden Formen war es genau diese mechanische Zuverlässigkeit, die alle Iso-Rivolta-Modelle sogar auf deutschen Autobahnen, aber auch auf Kudamm und Kö und allen anderen Flaniermeilen der automobilen High-Society soundgewaltig Präsenz zeigen ließ. Dies natürlich auch, weil der Düsseldorfer Supercar-Spezialist Auto-Becker vor 50 Jahren Iso-Rivolta entdeckte als potenziellen Nachfolger für Facel-Vega, jene gerade untergehende französische Luxusmarke.
Geknüpft wurden die ersten Bande zwischen Iso und Deutschland allerdings bereits zehn Jahre zuvor. Damals hatte Renzo Rivolta seine Automobilmarke Iso Autoveicoli gerade international ins Gespräch gebracht. War doch aus dem renommierten Hersteller von Isolierkannen („Isothermos“), Haushaltsgeräten und Motorrollern auch ein Produzent von Kabinenrollern geworden, mit dem sich breite Bevölkerungskreise erstmals den Traum der automobilen Unabhängigkeit erfüllen konnten. Isetta hieß dieser winzige Iso für die Familie, der gleich nach seinem Debüt auf dem Turiner Salon zu einem der erfolgreichsten italienischen Exportartikel avancierte.

Iso vergab Lizenzen nach Frankreich, Großbritannien, Spanien und Brasilien, vor allem aber an BMW. Als BMW Isetta – im Unterschied zum Iso-Dreirad mit vier Rädern – wurde das von Zeitgenossen liebevoll-spöttisch „Knutschkugel“ genannte Kleinstmobil dann ein echter Mega-Bestseller, der den Münchnern das Überleben sicherte. Konnte doch mit den parallel angebotenen Oberklassemodellen BMW 501 und 502 trotz prestigeträchtiger V8-Motoren nie genügend Gewinn erzielt werden.

Was die V8-Typen betrifft, war dies eine Erfahrung, die allerdings auch Iso Rivolta auf geradezu tragische Weise machen musste. Dabei fing alles so gut an. Um 1960 begann Renzo Rivolta mit der Entwicklung eines luxuriösen und leistungsstarken Gran Turismo im Stil englischer Gordon-Keeble und französischer Facel-Vega. Dies als Alternative zu den etablierten italienischen Ferrari und Lamborghini, die nach Rivoltas Meinung zwar schöne Designkunstwerke waren, es aber an Langstreckeneignung missen ließen.

Auf dem Turiner Salon 1962 war es soweit: Der viersitzige Iso Rivolta IR 300 überstrahlte alle anderen Hochleistungs-Sportwagen! Dabei hatte Maserati gerade erst eine abermalige Leistungssteigerung für seinen erfolgreichen GT angekündigt, der Ferrari 250 GTO entstand als Homologationsserie und die neue Corvette Sting Ray machte sich bereit, Europa zu erobern. Die europäischen und nordamerikanischen Sportwagenimporteure jedoch standen Schlange vor dem Messestand von Iso Rivolta, um einen der begehrten Verträge als Handelspartner zu erhalten. „Sanfte Bombe“, „Super Bombe“, „Yankee im Frack“ oder „Schnell, schneller, Rivolta“, jubelten enthusiastische Medien über den eleganten GT mit Corvette-Kraft und Scheibenbremsanlage von Jaguar.

Allerdings war es nicht die Höchstgeschwindigkeit von damals noch respektablen 220 km/h, die diesen Enthusiasmus und tatsächlich viele Kundenbestellungen bescherte, sondern die Mühelosigkeit, mit der die Iso Rivolta Coupés schnelle Autobahnetappen bewältigten. Selbst bei 200 km/h sei es möglich, das Lenkrad loszulassen, ohne dass der Wagen versetze, wunderten sich sonst so überkritische Motorjournalisten.

Die Steigerung folgte wenige Jahre später, als Renzo Rivoltas zweiter Streich nach neuem Superlativ griff. „Das Juwel unter den italienischen Automobilen“ war nun laut Werbung der Iso Grifo, bot er doch in der Version 7 Litri Fahrleistungen so noch nicht gekannter Art. „240 km/h im dichten Verkehr, die nur durch den Blick auf den Tacho auffielen“, registrierten italienische Testfahrer. 300 km/h mit langer Hinterachsübersetzung versprach das Werk für den 294 kW/400 PS leistenden Racer – und wurden durch deutsche Fachjournalisten bestätigt. Rekordverdächtig für die späten 1960er Jahre, als die meisten Prospektangaben viel zu optimistische Versprechungen machten. So auch für den Iso Rivolta IR 350, der zeitweise mit 280 km/h Vmax beworben wurde – 42 km/h mehr als in den amtlichen Fahrzeugpapieren stand.

Nicht zu vergessen der Iso Fidia S4, den Piero Rivolta – sein Vater Renzo war 1966 verstorben – höchstpersönlich auf der Frankfurter IAA 1967 enthüllte. Der mit 25 Lebensjahren damals weltweit jüngste Automobilfabrikant präsentierte den Fidia als schnellsten Viersitzer der Welt, eine Kampfansage an Maserati, wo der Quattroporte als schnellster Viertürer gebaut wurde. Tatsächlich wurde der Fidia mit nur 217 bis 225 km/h gemessen, womit er nicht nur dem Maserati, sondern wenig später auch Modellen wie dem Mercedes 300 SL 6.3 unterlegen waren. Vielleicht war dies letztlich gar nicht so schlimm, betrachtet Piero Rivolta seine eigentliche Passion doch in der Jagd von Ferrari. Ferrari, die nicht vollgasfest waren.

Aber auch diese Leidenschaft endete Anfang der 1970er-Jahre abrupt, dabei hatte doch gerade der neue viersitzige Lele die Nachfolge des Iso Rivolta IR 300 übernommen. Wie bei so vielen Supersportwagenhersteller der ersten Nachkriegsjahrzehnte wurden bei Iso plötzlich die Kassen klamm. Was war geschehen? Die USA als weltweit wichtigster Absatzmarkt für Luxusmodelle führten Sicherheits- und Emissionsvorschriften ein, deren Erfüllung sehr kostenaufwändig war. In Europa dagegen gab es einen sozialpolitischen und gesellschaftlichen Wandel, der es in vielen Ländern kaum mehr möglich machte, Luxusprodukte öffentlich zu zeigen. Nicht wenige Fahrer von Nobelkarossen sahen sich nun Anfeindungen ausgesetzt, weshalb etwa bei Mercedes und BMW sogar die Abwahl des Typenlogos populär wurde.

Noch einmal hoffte Iso Rivolta 1973 auf neuen Schwung, als sich der Italo-Amerikaner Ivo Pera am Unternehmen beteiligte. Piero Rivolta aber stieg aus und auch die in New York neu firmierte Iso Motor Company SpA zog mit dem Ende der ersten Ölkrise einen Schlussstrich unter die Ära der vorübergehend schnellsten Autos der Welt. Eine Epoche, die 20 Jahre später noch einmal durch aufregende neue Iso-Studien in Erinnerung gerufen wurde. Damit Vergangenes nicht vergessen wird.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: BWM, Werkfoto/SP-X

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