Elegant und effizient, praktisch, familienfreundlich und je nach Motorisierung sogar vernünftig. So hat es der BMW X3 zum Bestseller in seinem Segment geschafft. Doch neben Autos wie dem Range Rover Evoque und mehr noch dem Porsche Macan wirkt der Bayer mittlerweile etwas brav und bieder. Aber nicht mehr lange. Denn für Schöngeister und Selbstdarsteller in der SUV-Mittelklasse wird der Praktiker jetzt zum Provokateur und startet im Sommer auch als X4 durch. „Wo der X3 vor allem rationale Kunden anspricht, wollen wir mit diesem Fahrzeug alle jene Käufer erreichen, die sich für das Design begeistern“, begründet Produktmanager Richard Jacobi diesen Schritt.
Viel Mut braucht es dafür freilich nicht. Schließlich kann Jacobi auf die Erfahrungen mit dem großen Bruder X6 bauen, der die internen Erwartungen übertroffen und sich zum Shooting-Star entwickelt hat. Rund 250.000 Exemplare in sechs Jahren, noch immer Lieferfristen und in Ländern wie Russland mehr Zulassungen als für den braven Bruder X5 – das hätte sich in München selbst der größte Optimist nicht träumen lassen. „Diesen Erfolg wollen wir jetzt eine Klasse darunter wiederholen“, sagt Jacobi.
Allerdings ist der X4 kein X6, der zu heiß gewaschen wurde. Musste man sich an die ebenso protzige wie provozierende Wuchtbrumme aus der Oberklasse bei ihrem Debüt 2008 erst einmal gewöhnen, ist sein kleiner Bruder sehr viel sozialverträglicher gezeichnet. Natürlich sportlicher und schnittiger als der X3, flacher und eher in der Breite betont, sieht der X4 aber in jeder Perspektive stimmig aus. Weder das eigene Auge noch das des Nachbarn wird an irgendeiner Ansicht Anstoß nehmen.
Das Coupé ist zwar mit 4,67 Metern exakt gleich lang wie der X3 und hat natürlich auch vier Türen. Doch die Dachlinie duckt sich vier Zentimeter tiefer auf die Straße und wo der X3 mit Rücksicht auf Kind und Kegel ein geräumigen Kasten als Heck hat, leistet sich der X4 eine elegante Kuppel, die in einem kessen Bürzel ausläuft. Die Form, nicht die Funktion gibt hier den Ton an. Trotzdem reicht bei der ersten Sitzprobe auch auf der Rückbank der Platz für zwei und zur Not mal für drei Personen. Nur beim Einsteigen muss man halt ein bisschen den Kopf einziehen. Und beim Einpacken ein wenig aufs Gepäck achten. Denn der Kofferraum schrumpft auf 500 Liter und lässt sich künftig auch nur noch auf 1.400 Liter erweitern.
Zum schnellen Strich der Designer gibt es eine sportlichere Auslegung für Lenkung, Fahrwerk und die Regelsysteme, die von einer zwei Zentimeter tieferen Sitzposition noch unterstützt wird. Außerdem lässt BMW die Einstiegsmotoren für Sparer und Spaßbremsen genauso entfallen wie den reinen Hecktriebler und geht unter der Haube gleich in die Vollen. Beinahe zumindest. Denn ein reinrassiges M-Modell wird es selbst als Antwort auf den Porsche Macan wohl nicht geben, muss Produktmanager Jacobi einräumen.
Keine Sorge: Zum Schleicher wird der Schönling unter den SUV deshalb aber trotzdem nicht. Schon die Basisversion kommt als Diesel auf 139 kW/190 PS und als Benziner auf 135 kW/184 PS. Und wer sich jeweils zwei Stufen weiter nach oben hangelt, der hat am Ende 229 kW/313 PS oder 224 kW/306 PS im Fahrzeugschein stehen. Selbst der schwächste X4 sprintet deshalb in 8,1 Sekunden von 0 auf 100, der schnellste schafft diese Disziplin in 5,2 Sekunden und für das Spitzentempo geben die Bayern zwischen 212 und 247 km/h an. Und falls es bei so einem Auto wirklich jemanden interessiert: Der Verbrauch bewegt sich zwischen 5,2 Litern für den 20d und 8,3 Litern für den 35i.
Wie immer wenn es um den schönen Schein geht, muss man dafür auch ein bisschen tiefer in die Tasche greifen. Schließlich startet der am Juli lieferbare X4 erst bei 45.600 Euro. Doch von den rund 4.500 Euro, die ihn damit vom X3 trennen, darf man sich nicht erschrecken lassen, mahnt Produktmanager Jacobi. Ein Gutteil davon lässt sich mit der Mehrausstattung verrechnen. Immerhin sind anders als beim X3 immer Xenon-Scheinwerfer, die elektrische Heckklappe, die 18-Zöller und die sportliche Programmierung für Lenkung und Automatik an Bord. „Damit schmilzt der reale Preisunterschied auf etwa 1.000 Euro“, sagt Jacobi und muss sich um den Absatz wahrscheinlich keine Sorgen machen. Nachdem die Fabrik in Spartanburg schon jetzt am Limit läuft, muss das US-Werk deshalb wohl nun noch einmal ein bisschen aufgestockt werden.
Der X6 ein Renner und der X4 ein aussichtsreicher Erfolgskandidat – lässt sich diese Geschichte nicht vielleicht ein weiteres Mal wiederholen? Da ist Produktmanager Jacobi eher skeptisch. Nachdem der ähnlich gestrickte Mini Paceman nicht gerade das Straßenbild dominiert und die Umstellung auf die neue Frontantriebsarchitektur für den nächsten X1 der Fahrdynamik wenig dienlich ist, hat BMW sich von dieser Idee offenbar erst einmal wieder verabschiedet, sagt Jacobi: „Den geplanten X2 haben wir deshalb wieder gestrichen.“
Text: Spot Press Services/Benjamin Bessinger
Fotos: BMW