Mitsubishi-Pickup: 20 Jahre L200

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In Amerika stehen Pick-ups an der Spitze der Verkaufscharts seit sie vor 100 Jahren die praktischen Planwagen beerbten, mit denen die Siedler-Pioniere den Boden bestellten und Handel trieben. Dennoch sind Pick-ups keineswegs eine rein amerikanische Angelegenheit. Auch die Japaner verdanken ihren wirtschaftlichen Aufschwung den Pritschenwagen, zunächst in Form winziger Dreiräder, seit Ende der 1960er Jahre aber zunehmend als Ableitung allradgetriebener Geländewagen. Genau dort findet sich auch der Ursprung der Mitsubishi Pick-ups, die als Mitsubishi L 200 im September 1993 ihre Deutschland-Premiere feierten. Technisch basierte dieser erste L 200 deshalb auf dem parallel angebotenen Pajero der Serie L040. So nutzte der Pick-up den gleichen Leiterrahmen, der jedoch auf stattliche 2,96 Meter Radstand verlängert worden war und nun fast eine Tonne Nutzlast tragen konnte. Im Segment der leichten Nutzfahrzeuge war dies damals eine respektable Ansage. Durchsetzungsfähigkeit abseits befestigter Wege sicherte dem L 200 der zuschaltbare Allradantrieb, bei dem per Differential bis zu 50 Prozent der Antriebskraft an die Vorderräder gelangten. Etwas umständlich war noch die Umschaltung von Hinterrad- auf 4×4-Antrieb, die nur im Stand möglich war. Dafür gab es aus dem Pajero zusätzlich die praktische Differentialbremse und eine Geländeuntersetzung für Baugruben und anderes besonders unwirtliches Terrain.

Als Mitsubishi diesen L 200 als geräumige Doppelkabine und mit optionalem Wohnmobilaufsatz auf der IAA 1993 vorstellte, wurden die Japaner fast ein wenig belächelt. Kannte hierzulande doch kaum jemand die globale Bedeutung und das Potential der noch fremdartig und exotisch wirkenden Pick-ups. Daran hatten auch die bereits 12 Jahre zuvor eingeführten Datsun/Nissan Pick-up nichts geändert, zumal sie anfangs nur mit Hinterradantrieb und durstigem Ottomotor vorfuhren. Nicht einmal die Koproduktion von Toyota Hilux und Volkswagen Taro im VW-Transporter-Werk in Hannover war von Erfolg gekrönt. Nach nur sieben Jahren beendete VW im Jahr 1996 das Pick-up Abenteuer. Und was die amerikanischen Pick-up-Giganten betraf: Sie blieben Einzelzulassungen engagierter Importeure und Enthusiasten.

Entsprechend sorgfältig hatte Mitsubishi seinen leichten Laster für den Start auf dem deutschen Markt vorbereitet. Tatsächlich war der L 200 bereits die zweite Pritschenwagen-Generation im Mitsubishi-Programm, denn den Anfang hatte im Jahr 1978 der Mitsubishi Forte gemacht. Ein Pick-up, der aus langjähriger Kooperation mit Chrysler entstanden war und technische Verwandtschaft zum größeren Dodge Ram zeigte. Allerdings fehlte es dem Forte noch an Offroad-Technik und sparsamen Dieselaggregaten, aber auch an Pkw-ähnlichen Komforteigenschaften, weshalb Mitsubishi auf die Einführung in Westeuropa verzichtete. Sogar den Deutschlandstart des erstmals 1987 gezeigten L 200 verschoben die Japaner so lange, bis sie sicher waren, das richtige Paket aus Lust an großen Lasten und einem Hauch Lifestyle geschnürt zu haben. Schließlich wurden in den 1990er Jahre Sportarten wie Surfing oder Cross-Biking auch in Deutschland populär und der Pick-up für alle Sportgeräte zur vermeintlich perfekten Pritsche. Zumindest in der Theorie. In der Praxis war es dann doch eine andere Kundengruppe, für die der Pick-up Kult wurde. Gartenbauer, Dachdecker und andere Handwerker lernten den unzerstörbaren Lastenesel lieben – und störten sich nicht an den ausladenden Dimensionen, die jeden Parkhausbesuch zum Abenteuer machten.

Mit dem L 200 erschloss Mitsubishi ein hierzulande bis dahin kaum vorhandenes Marktsegment – nicht zuletzt getragen von den großen Erfolgen des technisch verwandten Pajero. Mitsubishi platzierte den geländegängigen Pickup nicht nur exakt zum beginnenden Hype um Offroader, sondern trug mit der vielseitigen 4×4-Pritsche selbst zur Entwicklung in diesem Segment bei. Trotzdem: Als 1996 die zweite Generation des L 200 eingeführt werden sollte, fragten sich Skeptiker einmal mehr, ob der Boom um Geländewagen anhalten würde, um einen hierzulande vor allem von Handwerkern begehrten Lastenesel mit Lifestyleattributen zu tragen. Schließlich hatten relativ bescheidene 7.200 Zulassungen in drei Jahren genügt, um Mitsubishi zum Pick-up-King zu krönen. Japaner geben jedoch selten vorzeitig auf. Toyota machte nach dem Scheitern der Pick-up-Allianz mit Volkswagen im Alleingang weiter, Nissan und Isuzu/Opel (Campo) pflegten ihre Pick-ups und Mazda lancierte seine B-Serie. Und Mitsubishi bewies bei der Weiterentwicklung seines 4×4-Transporters das richtige Feingefühl.

So war die Neuauflage des L 200 abgeleitet vom Pajero der Serie V20 und fiel entsprechend stärker, größer und vor allem komfortabler aus. Die Presse kommentierte erfreut, dass es nun noch mehr reellen Gegenwert fürs Geld gäbe. Eine Einschätzung, die das Publikum teilte: Erstmals wurde ein Pick-up in Deutschland Volumenmodell. Über 45.000 Einheiten konnte Mitsubishi von der zweiten Generation des L 200 absetzen, ein Erfolg, der weitere Pick-up-Marken wie Ford zum deutschen Markstart animierte. Maßstab blieb jedoch der 4,94 Meter lange Mitsubishi, der sich vor allem als Doppelkabine und Magnum-Doppelkabine besonderer Popularität erfreute. Erkennungszeichen auf der Haube war eine Hutze, die der 73 kW/100 PS leistende Intercooler-Turbodiesel benötigte. Tatsächlich bot dieser L 200 sogar die Basis für eine gänzliche neue Geländewagen-Baureihe bei Mitsubishi, den 1998 eingeführten Pajero Sport. Mit dem 2002 eingeführten L 200 gab es dann auch den sogenannten „Easy Select“-Allradantrieb aus dem Pajero Sport, der es ermöglichte, während der Fahrt (bis Tempo 100) von Hinterrad- auf 4×4-Antrieb umzuschalten. Durch eine elektronische Regelung der Einspritzpumpe stieg die Leistung auf 85 kW/115 PS.

Was allerdings bescheiden wirkt im Vergleich zu den 100 kW/136 PS bis 131 kW/178 PS, die der aktuelle Mitsubishi L 200 aus einem 2,5-Liter-Common-Rail-Diesel abgibt. Eingeführt wurde die jüngste Generation des praktischen Alleskönners bereits im Jahr 2006. Dies allerdings mit einem vielleicht zu mutigen Design, wirkten die geschwungenen Formen doch für manchen Liebhaber des Transporters für Säcke und Kisten, Gerät und Gerümpel, Schneeräumer und Jetski gewöhnungsbedürftig. Traditionell bleibt der L 200 beim Thema Leiterrahmen, war sein Testfeld doch von Beginn an die härteste Langstreckenrallye der Welt, die Paris-Dakar. Schon während der gesamten 1980er Jahre war die westafrikanische Wüste das Wohnzimmer der Mitsubishi Offroader, die in Form des Pajero kontinuierlich einen Platz unter den besten drei Teams des Gesamtklassements gebucht hatten. Noch besser lief es für die Japaner bis Anfang des 21. Jahrhunderts: Praktisch niemand konnte die Siegesserie der Marke im Zeichen der drei Diamanten toppen oder stoppen. Die Allraderfolge während dieser Rallye trugen mit dazu bei, dass alle Mitsubishi-4×4-Modelle schnell einen legendären Ruf unzerstörbarer Robustheit und Durchsetzungsfähigkeit genossen. Der L 200 bietet deshalb als erster Pick-up überhaupt einen Permanent-Allradantrieb mit manuell sperrbarem Mitteldifferential, Stabilitäts- und Traktionskontrolle sowie Viskobremse. Vom Dakar-Racer Pajero Evolution adaptierte der L 200 außerdem Designdetails.

Dennoch: Vielleicht war es die emotionale und kontrovers diskutierte Form eines SUV, die den Pick-up schneller altern ließ, jedenfalls wurde der Mitsubishi zuletzt in den Zulassungscharts von Wettbewerbern wie Ford Ranger und Volkswagen Amarok überholt. Aber auch darauf glauben die Japaner eine Antwort zu wissen: Ein gänzlich neuer L 200 mit alternativer Antriebstechnik ist für 2014 in Vorbereitung. Auf dem diesjährigen Genfer Salon debütiert dazu bereits das Dieselhybrid-Concept GR-HEV.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Mitsubishi, SP-X

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