Buchtipp der Woche – Frank Jöricke: Jäger des verlorenen Zeitgeists

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Die Welt wird immer schwieriger. Irgendwie. Nur ein Beispiel:Soziale Netzwerke, in denen ich zusammen 328 Freunde habe, von denen ich zwölf persönlich kenne, von den zwölfen drei als Arbeitskollegen und einen als Nachbarn. Als nervigen Nachbarn, aber ich wollte seine Anfrage nicht unhöflicherweise ablehnen. Es gibt Politiker, die das, was sie im sozialen Netzwerk als Nachrichtenaustauscherleben, für echte Liebe halten. So beziehungsmäßig.

Soziale Netzwerke sind ein typisches Zeitgeistphänomen unserer Zeit. Aber das muss einen nicht zum Pessimismus verleiten. Zeitgeistphänomene hat es immer schon gegeben, sagt Frank Jöricke. Man vergisst sie nur bisweilen, sagt der Leser nach beendeter Lektüre. Deswegen bringt Jöricke die Erinnerung zurück. Was hat uns nicht alles in den letzten Jahrzehnten amüsiert, verblüfft, geärgert, genervt … Peter Alexander, zum Beispiel, war eine prägende Gestalt des Sechziger-Jahre-Fernsehens. Die Oma verpasste keine Show mit ihm, hätte den Enkel gern ein bißchen mehr alexandresk und nicht so rabaukenhaft gesehen, was den Enkel nur noch heftiger in die Opposition trieb. Oder Der Kommissar: Erik Ode als TV-Ermittler, dem man den Scharfsinn erst mal nicht ansah, der wirkte eher gemütlich. So wie jemand, dessen liebster Platz der Schlauch ist, auf dem er steht. Von wegen! Ein echter Straßenfeger in den Sechzigern und Siebzigern. Oder Disco – Musikstil und Titel einer Fernsehsendung in einem. Nicht zu vergessen BAP aus Köln, die sowas wie politische Korrektheit vorwegnahmen und mit Pop-Rock verbanden.

Frank Jöricke legt hier, wie schon mit seinem Erstling, eine Art verdecktes Geschichtsbuch vor. Bunt und treffend beschreibt er, was die Menschen in den letzten 30 Jahren als Zeitgeist beschäftigte. Man kann sich nach der Lektüre durchaus mal entspannt zurücklehnen. Soziale Netzwerke hin, komplizierte Welt her. Das Leben geht weiter, und wenn wir sehen, was die Menschen so alles schon problemlos gepackt haben, dann ist auch eine komplizierter werdende Welt kein Grund zur Verzweiflung. Eher fürs Gegenteil.

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