Aerodynamik: Alles andere als warme Luft

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Schier unzählige Faktoren beeinflussen die Effizienz von Fahrzeugen, ein ganz wesentlicher ist die Aerodynamik. Gerade in Zeiten, in denen der Energieverbrauch wichtiger denn je ist, rückt die Windschlüpfrigkeit mehr und mehr in den Focus der Konstrukteure und Entwickler.

Radfahrer kennen es: Aufrecht sitzend wirkt der gestreckte Oberkörper wie ein Bremsfallschirm, eine ungünstige Position, die nach kräftigem Tritt in die Pedale verlangt, will man zügig vorankommen. Diese Körperhaltung ist nicht aerodynamisch, kostet Kraft und ist somit alles andere als effizient. Deutlich windschlüpfriger sind Rennradfahrer unterwegs. Tief über den Lenker gebeugt, mit eng anliegender Bekleidung aus modernen Kunstfasern bieten sie dem Fahrtwind deutlich weniger Angriffsfläche als „Genussradler“. Sie müssen deutlich weniger Energie aufbringen. um gleiche Fahrwerte wie aufrechte Radler zu erzielen – der geringere Luftwiderstand macht diese Fahr- und Sitzweise deutlich effizienter.

Genauso verhält es sich bei Fahrzeugen: Steigt der Luftwiderstand, muss der Motor mehr Leistung erbringen, was zu höherem Kraftstoffverbrauch führt. Auf der Suche nach der strömungsgünstigsten Form gelangen Designer und Konstrukteure immer wieder in die Natur, die, wie so oft, die besten Ideen zur menschlichen Problemlösung liefert. Wassertropfen galten mit einem Cw-Wert von 0,05 lange Zeit als Inbegriff der Aerodynamik. Die dickste Stelle des Tropfens liegt weit vorne, in Verbindung mit der nach hinten verlaufenden Verjüngung ergibt sich ein guter Cw-Wert. Unlängst hat jedoch der Pinguin dem Wassertropfen den Rang abgelaufen und ihn mit seinem extrem geringen Wert von 0,03 in den Schatten gestellt. Im Vergleich zum Tropfen ist die Verdickung beim Pinguin langezogen und beginnt deutlich weiter hinten. Die Tropfenform hat schon früh Fahrzeug-Konstrukteure angeregt, nicht selten entstanden so die kuriosesten Karosserieformen – alles nur, um der Luft ein Schnippchen im Kampf gegen den Widerstand zu schlagen. Berühmtester Vertreter frühester Bemühungen ein aerodynamisches Fahrzeug zu bauen, ist der Rumpler-Tropfenwagen von 1921. Mit seinem Cw-Wert von 0,28 ist der frühzeitlich schnittige Wagen deutlich windschlüpfriger als viele seiner damaligen Konkurrenten. Und noch heute übertrumpft er mit seinem phänomenalen Cw-Wert das Groß moderner Fahrzeuge.

Vergleicht man unterschiedliche Fahrzeugkonzepte ist erkennbar, dass selbst die schnittigste Optik einen schlechteren Cw-Wert haben kann als ein vermeintlich ungehobelter Klotz. Dass der Land Rover Discovery (Cw 0,4), der VW Touareg (Cw 0,35) oder der Mercedes-Benz SLK (Cw 0,3) deutlich besser dastehen als ein Formel-1-Wagen (Cw 1,2) dürfte selbst Kenner in Erstaunen versetzen. Jüngstes Beispiel für günstige Strömung ist der neue VW Golf, der mit einer Stirnfläche von 2,19m² einen Cw-Wert von lediglich 0,27 hat. Im direkten Vergleich: Das Wolfsburger Ur-Gestein Käfer mit einer Stirnfläche von lediglich 1,8m² und einem Cw-Wert von 0,46.

Faktoren bestimmen

Viele Einflüsse strömen in eine gute Aerodynamik ein, ist das Verhältnis ausgewogen, ergibt sich ein hervorragendes Ergebnis, ein niedriger Cw-Wert. Großen Einfluss hat die Stirnfläche: Sie muss die gesamte Luft während der Fahrt verdrängen. Die Ermittlung dieser Größe erscheint auch im modernen Zeitalter abenteuerlich, ist aber effektiv. Frontal mit einer Lampe angestrahlt, wird der vom Fahrzeug geworfene Schattenriss auf einem hinter dem Pkw stehenden Schirm ausgemessen. Neben dem Luftwiderstand, gemessen im Windkanal mit Hilfe einer Kraftwaage, ist die Luftdichte ein wesentlicher Faktor. Berechnet wird sie aus Temperatur und Luftdruck, angegeben in Kilogramm pro Kubikmeter und stellt dar, wie viel Masse Luft in einem bestimmten Volumen vorhanden ist. Zu guter Letzt bestimmt selbstverständlich auch die Fahrgeschwindigkeit den Luftwiderstand – gemessen in Metern pro Sekunde.

In der Stadt haben Fahrzeuge einen geringeren Luftwiderstand als auf Landstraßen oder Autobahnen. Begründet ist diese Tatsache in der durchschnittlich gefahrenen Geschwindigkeit: Innerstädtisch hat der Luftwiderstand nur elf Prozent Anteil am Gesamtwiderstand, auf der Landstraße sind es schon 45 Prozent und auf der Autobahn gar 70 Prozent: Je höher die Geschwindigkeit, desto mehr Luft muss verdrängt werden.
Wie beeinflusst die Windschlüpfrigkeit den Verbrauch und damit den Schadstoffausstoß? Auch wenn die Werte auf dem Papier eher marginal erscheinen – sie tragen gravierend zu Verbrauch und Schadstoffbelastung bei. Schaffen es die Ingenieure und Designer den Cw-Wert um nur 0,01 zu senken, reduziert sich der Kraftstoffverbrauch um 0,04 Liter und der Kohlendioxidausstoß um ein Gramm. In der Realität lässt sich so mal eben ein Zehntelliter Kraftstoff sparen, bei hohen Geschwindigkeiten wie beispielsweise auf der Autobahn kann die Einsparung schnell bis auf einen halben Liter anwachsen.

Bauteiloptimierung

Alle an der Konstruktion eines Neufahrzeuges beteiligten Berufsgruppen haben unzählige Anforderungen zu beachten: Die Gunst der Käufer zu erlangen, steht ganz oben auf der Prioritätenliste, Form und Farbe bestimmen nach wie vor Gefallen. Gleichzeitig gewinnt der Umweltaspekt einen immer höheren Stellenwert. Entsprechend hoch ist die Anforderung an die Designer und Entwickler, beide Faktoren unter einen Hut zu bringen – schön verpackte Verbrauchsarmut soll am Ende den Käufer erfreuen.

Luftverwirbelungen und –widerstände lassen sich durch die Gestaltung einzelner Bauteile massiv beeinflussen. Nicht nur sichtbare Bauteile nehmen Teil an der Gesamt-Aerodynamik, sondern auch Ecken und Kanten, die im Verborgenen liegen, erfordern die gesamte Aufmerksamkeit während der Entwicklung. Motorraum, Radkasten und Unterboden sind solche Stellen. Bis zu zehn Prozent des Luftwiderstandes lassen sich im Bereich der Lüftung einsparen. Die durch Lüftungsschlitze strömende Luft prallt direkt auf den Kühler, der einen hohen Widerstand darstellt. Abhilfe leisten schmalere Schlitze, die beste Lösung stellen bewegliche Lamellen dar, die der Luft nur bei Bedarf die Möglichkeit geben, den Kühler anzuströmen. Sind sie geschlossen, erlangt das Fahrzeug bessere Strömungseigenschaften. Auch wenn es unglaublich klingt: Die Form des Hecks kann den Luftwiderstand um bis zu 15 Prozent positiv beeinflussen. Schlecht sind eher rundliche Fahrzeugenden, die Verwirbelungen erzeugen, die eine Sogwirkung mit sich bringen und somit den Luftwiderstand erhöhen. Abhilfe schaffen Heckspoiler, die die Luft waagerecht abströmen lassen. Lange, kantige oder abrupt endende Heckformen sind am günstigsten: Hier kann sich auch ohne Heckspoiler die Luft waagerecht vom Fahrzeug lösen, sie erzeugt keine Wirbel und bremst das Fahrzeug nicht ein.

Fahrtwind am Unterboden findet in der Regel die besten Chancen sich zu verfangen: Leitungen, Auspuff, Achskörper und Radkästen sind bauartbedingt unumgänglich und gleichzeitig ungünstig. Optimal wären ein glatter Unterboden und Radhäuser, die komplett verkleidet sind. Während sich die Fahrzeughersteller bemühen den Unterboden zu glätten und dabei auch mit Verkleidungen arbeiten, sind es die Autofahrer, die geschlossene Radkästen aus optischen Gründen ablehnen.

Ein weiteres Beispiel, welchen Einfluss die Formgebung von Bauteilen auf die Aerodynamik hat, lässt sich anhand von Frontscheiben verdeutlichen. Von Vorteil ist eine gewölbte Frontverglasung in Verbindung mit abgeflachten A-Säulen. Allerdings verschlechtert sich mit zunehmender Wölbung der Scheibe die Sicht. Scheibe und A-Säulen in beschriebenem Design bieten den geringsten Luftwiderstand, je nach Bauart beschneiden sie aber auch den Innenraum, was grundsätzlich zu vermeiden gilt. Wer hier ordentlich arbeitet, kann den Cw-Wert um bis zu fünf Prozent verbessern.

Detaillösungen

Nicht nur die großen Flächen haben Einfluss auf den Luftwiderstand, auch kleine Lösungen tragen dazu bei, ein Auto aerodynamischer zu machen. Geringe Unebenheiten, wie sie häufig durch erforderliche Anbauteile entstehen, lassen sich so gestalten, dass sie die Strömung günstig oder so gering als möglich beeinflussen.

Ist die Frontscheibe auch noch so aerodynamisch geformt – wenn die Scheibenwischer es nicht sind, ist der günstige Strömungsverlauf mit einem Schlag zunichte gemacht. Wischer unterbrechen die glatte Oberfläche der Scheibe und sorgen für ungünstige Wirbel. Moderne Wischersysteme besitzen kein „Stahlgerüst“ mehr, sind flexibel und mit einer Art Spoiler ausgestattet, der den Luftstrom in Ruhestellung und in der Bewegung leitet. Viele Fahrzeughersteller gehen dazu über, die Wischer in verdeckter Ruhestellung zu positionieren: Entweder im Bereich der A-Säule, unter der Fronthaube oder unter Abdeckungen im Frontbereich. Diese Anordnung der Scheibenwischer hat weniger etwas mit Optik, viel mehr jedoch mit Funktionalität zu tun.
Ein weiteres Beispiel für Detaillösungen findet sich bei den Außenspiegeln. Von den kantigen, wie Segel im Wind stehenden Spiegeln sind die Hersteller rasch abgerückt. Die Gehäuse von Außenspiegel werden immer mehr in die Karosserie integriert oder strömungsgünstig geformt. Erste Versuche, Spiegel durch Kameras zu ersetzen, sind seinerzeit bei Volkswagen am Vorserienmodell XL1 gemacht worden. Dabei sind die Kameras in die Karosserie integriert und liefern dem Fahrer rechts und links neben dem Lenkrad das Bild, was er normalerweise im Rückspiegel sehen würde. Solche Systeme sind aber derzeit noch nicht erlaubt und dürfen erst 2016 in Europa zum Einsatz kommen.

Text: Redaktionsbüro Uwe Meuren
Fotos: VW, Land Rover

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