Nach den Sprint-Etappen auf den ersten Tagen der 99. Tour de France geht es am Wochenende zum ersten Mal „eine Etage höher“. Im Elsass und später auch im Schweizer und im französischen Jura warten die ersten „dicken Brocken“ auf die Fahrer. Inzwischen hat man sich auch an das Bild der Begleit-Kolonne gewöhnt, die in jedem Jahr von anderen Automobilmarken dominiert wird. Wohl fahren die „voitures officielles“ der Tour-Leitung in flammend roten Škoda Superbs. Den Teams aber bleibt es nach wie vor selbst überlassen, welche Marke sie beim Transport ihrer Betreuer, sportlichen Leiter und der Ersatzräder oder Rad-Komponenten bevorzugen.
Hatte im vergangenen Jahr das russische Team Katjusha mit seinen Mercedes T-Modellen der neuesten Generation den Vogel abgeschossen, fährt in diesem Jahr die englische „Sky“-Formation mit britischer Noblesse vorneweg. Die Equipe des heimlichen Tour-Favoriten Bradley Wiggins hat sich für Jaguar entscheiden. Das Sky Pro Cycling ist während der dreiwöchigen Rundfahrt mit zwei Jaguar XF Sportbrake unterwegs. Die beiden Sport-Kombis haben auf dem Dach jeweils Platz für bis zu neun Rennräder im Wert von etwa 130.000 Euro und dienen der sportlichen Leitung als rollendes Servicecenter und Leitzentrale. Beide Modelle sind mit Luftfederung an der Hinterachse und automatischer Niveauregulierung ausgerüstet.
Auf den langen Tages-Etappen hat man genügend Zeit, auf dem Beifahrersitz entweder am Laptop zu arbeiten, Texte zu schreiben oder Bilder zu bearbeiteten, wenn der Kollege an diesem Tag als Chauffeur fungiert. Oder man informiert sich in der reichhaltigen begleitenden Literatur der Rundfahrt, in der alles Mögliche über die Etappen, die Anfahrten, die Umleitungen, die Parkplätze, die Lage des Presszentrums usw. aufgeführt und zusammengefasst ist.
Überhaupt gibt es fast nichts, was bei der Tour nicht reguliert, katalogisiert, aber auch sanktioniert ist. Das gilt auch für die Fahrer, die während der rund fünf- bis sechsstündigen täglichen Strampelei auf ihren Rädern jede Menge Getränke zu sich nehmen und diese nicht nur durch schwitzen verlieren können. Wer nun meint, der Fahrer könne dann, wenn es ihn am meisten „pressiert“, gerade mal kurz absteigen um sein „Geschäft“ zu verrichten, der irrt gewaltig.
In den „Contents du Tour“ ist festgehalten, was Fahrer und Mitglieder des Begleit-Trosses unterlassen müssen und tun dürfen, um nicht unangenehm aufzufallen. In diesem schriftlich fixierten Regelwerk ist auch vom „besoin naturel“, zu deutsch dem „natürlichen Bedürfnis“ der Fahrer die Rede. Diese dürfen während einer Etappe nur an bestimmten, gekennzeichneten Abschnitten mal kurz vom Rad in die Büsche hupfen, um sich zu erleichtern. Zuwiderhandlungen (etwa am Rande der Strecke, die von Zuschauern eingesehen werden können), kosten das Team bis zu 100 Euro! Pro Fahrer, versteht sich.
Und unsereins beschwert sich dann, wenn er an der Autobahn mal 50 Cent berappen muss, um seinen Kaffee oder sein Wasser los zu werden.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun