Peugeot: 40 Jahre 104

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Geradezu gewaltige Pläne verfolgte Peugeot mit seiner kleinsten Nummer, die vor genau 40 Jahren Premiere feierte. Als kürzester Viertürer Europas sollte der von Pininfarina gezeichnete Peugeot 104 die Franzosen mit quer eingebautem Frontmotor fest im modernen Minisegment verankern und eine elegante, familientaugliche Alternative zu frechen Großstadtflitzern wie Renault 5 oder Fiat 127 sein. Damit nicht genug. Der Peugeot 104 wurde wichtiger Protagonist für den Aufstieg des Konzerns zu neuer Größe durch gezielte Kooperationen und die Bekämpfung von Krisen durch Badge-Engineering und Plattformstrategien. So sollte sich der kleinste Peugeot zahlreiche technische Komponenten mit dem Renault 14 teilen – ein Ergebnis der 1966 gegründeten Assoziation Peugeot und Renault – und er bildete die Plattform für eine konzernumfassende Kleinwagenfamilie, zu der neben dem Modell 104 noch der 1976 lancierte Citroën LN und der 1981 präsentierte Talbot Samba zählten. Zeitgeistige Geschwister, die aber zu wenig Eigenständigkeit besaßen, um an den Erfolg des Löwenvaters heranzureichen. Allein der Peugeot 104 wurde deshalb ein Langzeit-Bestseller, von dem in 16 Jahren über 1,6 Millionen Einheiten verkauft wurden.

Als großer Glücksgriff erwies sich der Peugeot 104 allerdings erst nach Überwindung schmerzhafter Geburtswehen. Dazu zählte zunächst sogar die Zusammenarbeit mit Renault, die ursprünglich vorsah, Peugeot und Renault-Fahrzeuge in einer gemeinsamen Fabrik vom Band rollen zu lassen. Eine Annäherung, für die die Zeit nicht reif war. Es blieb bei der Entwicklung von Motoren (zwei Vierzylinder für Kompakt- und Mittelklasse und ein Sechszylinder für die Oberklasse) und anderen technischen Komponenten für verschiedene Baureihen. So sollten sich Peugeot 104 und Renault 14 die Vorderachse, Getriebe, Bremsanlage und Auspuff teilen. Den Zuschlag für die Designentwicklung der neuen Kleinwagenklasse gab Peugeot dem Hausstilisten Pininfarina, der sich streng an das Lastenheft hielt: Danach musste das Modell 104 ein reisetauglicher Mini werden, mit dem Neukunden erobert werden konnten, die einen kostengünstigen Zweitwagen oder einen großstadtgerechten Viertürer in schicker Couture Parisienne suchten. Ein auf 3,58 Meter geschrumpfter 204 also, mit großzügigen Platzverhältnissen vorn und hinten, aber schickem Schrägheck statt konservativem Kofferabteil. Manchmal allerdings hat offenbar auch Pininfarina einen weniger guten Tag. Der Entwurf PF 944, aus dem schließlich der Peugeot 104 hervorging, könnte an einem solchen Tag entstanden sein. Die kantige Karosserie gab sich zwar zeitlos klassisch, aber auch wenig inspiriert und fast schon unemotional. Ein Gegenentwurf zum lebenslustigen und frechen Renault 5, aber auch zu Italienern wie dem Fiat 127. Der entscheidende Geburtsfehler des Peugeot 104 war jedoch die fehlende Heckklappe, ein Karosseriekennzeichen, auf das in 1970er Jahren kaum ein Kleinwagenkäufer verzichten wollte. Trotzdem ließen sich die Franzosen vier Jahre Zeit, bis aus dem Viertürer ein Fünftürer wurde.

Allerdings ergänzte bereits 1974 der 3,36 Meter kurze 104 C mit großer Heckklappe das Programm bei den kleinsten Peugeot. „C“ stand zwar eigentlich für „Compact“, geformt war der Zweitürer allerdings als schickes Mini-Coupé für Großstadtboulevards. Dazu passend bot Peugeot bald auch feine Ausstattungsdetails fürs Interieur und elegante Metallicfarben fürs Exterieur an. Farben und Varianten, die dazu beitrugen, den Mini-Franzosen nicht nur als modischen Mini, sondern auch als eleganten Frauenliebling zu etablieren. Leuchtende Töne wie korallrot, zitrusgelb oder südfruchtorange trafen den Zeitgeist, der es poppig-bunt liebte.

Geradezu begeistert äußerten sich Presse und Publikum von Beginn an auch über die neu entwickelten Leichtmetall-Motoren. Außergewöhnlich war die Einbauweise der kompakten Triebwerke, die um 72 Grad nach hinten geneigt installiert wurden. Schon das 1,0-Liter-Basisaggregat mit 33 kW/45 PS ermöglichte in dem 780 Kilogramm leichten Viertürer Fahrleistungen, die den 104 ähnlich schnell machten wie die mindestens eine Klasse größeren Peugeot 204, Renault 12 oder VW 1600. Noch flotter unterwegs waren später die zweitürigen Peugeot 104 mit bis zu 1,3-Liter großem und 53 kW/72 PS starkem Benziner, die in nur 12,7 Sekunden von Null auf Tempo 100 spurteten und damit sogar flinker waren als die meisten namhaften Sportcoupés dieser Leistungsliga. Bei aller Agilität waren die kleinen Vierzylinder erstaunlich langlebig und sparsam. Normwerte von 5,5 bis 6,0 Liter bei Tempo 90 galten damals als vorbildlich und waren besonders in der Zeit der ersten Ölkrise von 1973/74 ein wichtiger Wettbewerbsvorteil.

Während weitere Karosserievarianten wie Stufenhecklimousine (1975), Kombi (1975), Pick-Up (1976), der aufregende Roadster Peugette (1976) und das Sicherheitsfahrzeug 104 VLS (Vehicule Léger de Sécurité) nur Studien blieben, sorgten immer neue Sondermodelle und regelmäßige Modellpflegen für anhaltend gute Absatzzahlen des Peugeot 104 nach dem etwas holprigen Start.

Jeder zweite Käufer des 104 kam von einer anderen Marke, womit der Kleinwagen seine Mission als „Eroberungsfahrzeug“ für Peugeot erfüllt hatte. Nicht ganz so erfolgreich gelang das den Konzerngeschwistern des Kleinen. 1974 übernahm Peugeot den angeschlagenen Rivalen Citroën. Da Citroën auch in den folgenden Jahren keinen finanziellen Spielraum für neue Citymobile hatte, sollte die Eroberung der Großstadtboulevards 1976 mit einem Zwilling des Peugeot 104 C beginnen. Mit dem Zweizylinder-Motor der legendären „Ente“ in der Steilheck-Karosserie des dreitürigen Peugeot-Winzlings sollte der so geschaffene Citroën LN gegen die modernen Minis bestehen, vor allem aber den 2 CV-Kunden eine neue Alternative bieten. Der „Spatz aus Paris“, wie er vor allem in Deutschland beworben wurde, konnte sich allerdings auch als LNA mit kräftigem Vierzylinder (ab 1978) oder mit eleganten Sondermodellen wie LNA Cannelle und LNA Prisu (ab 1984) nie richtig durchsetzen. Zu sehr fehlte ihm die Citroën-typische Eigenständigkeit, was sich vor allem auf den Exportmärkten negativ auswirkte.

Nur kurzzeitiger Erfolg war auch dem Talbot Samba beschieden, der Teil des Rettungsprogramms für das Erbe von Chrysler Europa war. Peugeot hatte 1978 die europäischen Chrysler-Tochtergesellschaften übernommen und Simca sowie die britischen Rootes-Marken in Talbot umbenannt. 1981 startete der kleine Samba als Zwilling des dreitürigen Peugeot 104, wenig später folgte ein eigenständiges Cabriolet, das bei Pininfarina produziert wurde. Und mit dem 65 kW/89 PS starken Rallye lieferte der Samba auch die leistungsstärkste Ableitung der Plattform. Dennoch: Spätestens mit der Markteinführung von Peugeot 205 (1983) und der Neuauflage des Renault 5 (1984) wollten die früheren Simca-Kunden nicht länger Samba tanzen mit dem mittlerweile 12 Jahre alten Kleinwagen. Endgültig Schluss für Talbot und den Samba war aber erst 1986.

Wie andere Peugeot-Typen blieb auch der 104 am Ende seines Produktlebens zeitweise ohne Nachfolger. Designierter Erbe war der 105, der allerdings seine Weltpremiere 1983 unter dem Namen 205 feierte. Aus den deutschen Preislisten verschwand der 104 deshalb bereits im Jahr 1984, in Frankreich lief die Fertigung des kleinsten europäischen Viertürers vier Jahre später aus. Erst 1991 wurde das Modell 106 als eigentlicher Nachfolger des 104 vorgestellt, da war der Meilenstein in der Peugeot-Kleinwagengeschichte bereits auf dem Weg zu einer neuer, diesmal traurigen Karriere: Der eines vergessenen Helden. Ein Schicksal, das seine Geschwister von Citroën und Talbot noch früher ereilte.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Autodrom Archiv, Peugeot, SPS

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