Neue Autos, neues Reglement, neue Ära und viel Aufbruchsstimmung: Beim ersten großen Testtag vor der Saison 2012 der Deutschen Tourenwagenmasters (DTM) auf dem Hockenheimring Baden-Württemberg am Montag waren sich alle Beteiligten sicher: Die spektakulärste Tourenwagenserie weltweit dürfte nach etlichen Jahren des sportlichen Überlebenskampfes vor einer hoffnungsvollen Zukunft stehen.
Nicht nur, aber auch, dank Rückkehrer BMW ist im vergangenen Winter in den Entwicklungsabteilungen von Audi, BMW und Mercedes-Benz die Voraussetzung dafür geschaffen worden, dass eine genau so spektakuläre, aber kostengünstigere und letztendlich auch sicherere DTM-„Spielzeit“ ansteht. Was jahrelang immer wieder gefordert wurde, aber nie in die Tat umgesetzt werden konnte, wird in diesem Jahr wieder Wirklichkeit: Nach dem jahrelangen ermüdenden und zermürbenden Zweikampf zwischen Ingolstadt und Stuttgart sind nun die drei großen deutschen Premium-Hersteller wieder gemeinsam auf der Strecke vereint.
„Wir haben einen der spannendsten Motorsport-Winter der vergangenen Jahre hinter uns gebracht, aber jetzt haben wir eine tolle Basis für die anstehenden Rennen gelegt“, sagte Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich, der dem Duell mit Mercedes-Benz und BMW mit eben so viel Vorfreude entgegensieht, wie das bei BMW-Motorsport-Direktor Jens Marquart der Fall ist. „Wir kehren nach 20 Jahren werksseitig mit einem eigenen Engagement in diese Serie zurück. Das heißt für uns, dass wir nicht nur ein eigenes neues Auto aufbauen, sondern auch eine ganze Logistik installieren mussten.“ Der Schulterschluss zwischen allen drei Herstellern bei der Erarbeitung eines neuen Reglements und eines noch einmal verbesserten Sicherheitskonzeptes sei vorbildlich gewesen.Auf dem Hockenheimring Baden-Württemberg, der „Keimzelle der DTM“, so Mercedes-Sportchef Nobert Haug, gewinnen die Piloten der drei in der DTM vertretenden Marken nicht nur die letzten Erkenntnisse vor dem Saisonstart am letzten April-Wochenende dieses Jahres. Sie starten auch in die nunmehr hoffnungsvolle Zukunft einer Serie, die lange Zeit angesichts des Dauer-Zweikampfes zwischen Audi und Mercedes-Benz vor dem Aus stand. „Nach sechs Jahren mit nur zwei Marken muss man nun aber auch allen Beteiligten eine Anlaufzeit zugestehen. Wir haben alle trotz der zahlreichen Übereinstimmungen bei den Fahrzeugen noch genügend Freiraum gehabt, Marken-identische Fahrzeuge zu konzipieren. Die DTM ist und wird kein Markenpokal werden“, konstatierte Haug.Wie immer geht vom Motorsport, und insbesondere von der DTM mit ihrer markanten Fahrzeug-Silhouette, auch eine große Strahlkraft in Richtung Serie aus. Auch und vor allem in punkto Sicherheit. „Wir haben mit der neuen Sicherheitszelle, die einem Aufprall von 36 Tonnen bei bestimmten Unfallszenarien widersteht, etwas Einzigartiges geschaffen. Aber es wurden auch Crash-Elemente an den Seitenwänden der Fahrzeuge angebracht, die leicht ausgetauscht werden können, sodass die eigentliche Sicherheitszelle davon nicht berührt wird“, erklärte Michael Kramp, Sprecher des Deutschen Motorsportbundes (DMSB). Nach den teilweise als „Horror-Crash“ anmutenden Unfällen der vergangenen Jahre soll dieses neue Safety-System höchsten Schutz gewährleisten.
Trotz aller Tests vor dem Eröffnungsrennen am 29. April in Hockenheim liegt aber ein Hauch von Ungewissheit über dem neuen schnellen „Dreierpack“ in der DTM. „So ein DTM-Auto besteht aus 4.000 Teilen. Da weiß man vorher bei aller Akribie in der Vorbereitung nie, was im Detail noch passieren kann“, orakelte Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich. „Keiner weiß, wie hoch die Leistungsdichte wirklich ist, aber im Sinne der Zuschauer ist natürlich zu hoffen, dass das Gros der Fahrzeuge in Sekundenbruchteilen zusammen ist“, blickte Mercedes-Mann Haug voraus. Um dann zu bekräftigen: „Wir werden jedenfalls alles tun, dass die DTM bei den gebotenen Restriktionen wieder möglichst nah am Zuschauer dran ist. Und das zu vernünftigen und nachvollziehbaren Preisen.“
Denn der zahlende Kunde am Streckenrand sei nun einmal „die Basis unserer Serie“. Und, was er allerdings nicht sagte, auch die Basis jener Klientel, die Interesse an schnittigen Serien-Fahrzeugen eines Premium-Herstellers habe, der in der DTM erfolgreich unterwegs ist.
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Bernhard Schoke