Erster Fahrbericht: Chevrolet VOLT

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Kaum waren die ersten, rein elektrisch angetriebenen City-Zwerge käuflich zu erwerben und auf den Straßen unterwegs, wurde der Ruf nach spürbar mehr Reichweite immer vernehmbarer. Zudem war die Wissbegier der Elektro-Interessenten noch nicht gestillt: Auch ein größeres Automobil für 4 Personen plus Urlaubs-Reichweite und entsprechendem Gepäckraum wurde gewünscht. Da des Menschen Wille zugleich Auftrag an die Industrie bedeutet, ging man ans Werk.

So wurde der Chevrolet VOLT entwickelt, konstruiert und geboren. Von Ingenieuren, Technikern und automobilen Wissenschaftlern des GM-Konzerns. Ob man das neue System als bahnbrechend bezeichnen darf, steht erstmal dahin. Aber: Es hat einfach was. Etwas, das eine Art Durchbruch bei den elektrischen Antrieben signalisiert und vor allem das Argument entkräftet, dass E-Automobile nur Minutenbrenner seien, gerade gut genug für den Cityausflug. Das im VOLT praktizierte Prinzip, das identisch mit dem des Opel Ampera ist, beruht auf einem bivalenten Energiemix: Da sind zum einen die Batteriepakete, die im Sommer mit etwa 65- knapp 80 Kilometer rein elektrischer Laufleistung glänzen, zum anderen ein vierzylindriger Benzinmotor mit 1,4 Litern Hubraum, der über einen Generator die irgendwann nachlassenden Akkus während der Fahrt wieder mit Kraft versorgt. Man kann das System auch dezent genial nennen. Zum alleinigen Fahren mit dem Benzinmotor (Range Extender/Reichweiten- Verlängerer) ist dieser weder ausgelegt noch fähig. Etwas flapsig mag man den Benziner also auch Notstromaggregat nennen. Aber es passt eben. Im Winter, wenn die Akkus eiskalt sind, wenn Innenheizung, Heckscheibenwärme, eventuell gar Sitzheizung, Gebläse und Licht benötigt werden, geht die elektromotorische Leistung auf einen Wert von etwa 50 Kilometern Laufleistung zurück, wie wir in diesen Tagen erfahren haben. Da der Sprittank für den Verbrennungsmotor 35 Liter Fassungsvolumen aufweist, lässt sich somit per Stromnetz aufgeladenem Akkupaket und Hilfsmotor durchaus eine Langstrecke von etwa 410 bis knapp 500 Kilometer am Stück absolvieren. Das ist ein Wert, den auch reine Benziner in etwa erbringen. Nur sollte man das nächtliche (oder zumindest nach längerer Fahrt nötige) Andocken an die Steckdose dabei nicht vergessen, denn damit beginnt ja der eigentliche elektrische Fahrspaß nebst der entsprechenden Wirtschaftlichkeit.

In welches Segment steckt man nun den VOLT? Vom Raumangebot liegt er irgendwo zwischen unterer Mittelklasse und Kompaktklasse und wartet mit einem relativ bescheidenem Kofferraum von knapp über 300 Litern Fassungsvermögen (die auf über 1.000 Liter durch Umlegen der Rücksitze erweitert werden können) auf.

Der VOLT ist ein reines 4-Personen-Auto, da keine 5. Sitzgelegenheit vorhanden ist. Betritt man den Passagierraum, glaubt am zuerst, man sei in einer amerikanischen Disco gelandet: Etwas schrilles Interieur, in gewöhnungsbedürftiges Farbdesign gekleidet, nicht immer gerade überzeugende Stylingelemente rundum (zumindest im Testwagen), eine mächtige Mittelkonsole, die die Gurtschlösser so tief und eng verbirgt, dass es ganz schön fummelig ist, sich anzugurten. Der Wählhebel für die automatischen Fahrstufen liegt maskulin-markig und ergonomisch richtig zur Hand. Die beiden großflächigen Farbdisplays, zentral vor dem Lenkrad und mittig im Armaturenträger eingelassen, geben jederzeit und – nach kurzer Eingewöhnungszeit – auch klare Auskunft über die wichtigsten Funktionen und Werte von Batteriekapazität, noch möglichen Kilometerleistungen, Tankuhr, gefahrener Wegstrecke und noch etlichen anderen Ist-Zuständen. Nach etwa 20 Minuten hatten wir uns an die beiden Mäusekinos gewöhnt und empfanden sie durchaus als nicht störend! Die Innenverarbeitung ist entsprechend heutigen Großserienlimousinen routiniert und sauber, an den großen Plastikflächen kommt eh keiner mehr vorbei. Störend hingegen präsentiert sich der Heckspoiler, der, den Maßen eines Frühstückstabletts kaum nachstehend, die Sicht nach hinten in einer Weise einschränkt, die nicht duldbar ist: Ausgerechnet in einem so wichtigen Bereich zwischen etwa 25 und 50 Metern (je nach Sitzposition) hinter dem Fahrzeug ist nahezu alles durch das aerodynamische Hilfsmittel (ist das beim VOLT wirklich nötig?) unsichtbar abgedeckt. Ein oberer Sehschlitz verbleibt. Da wäre, zumindest für die europäische/deutsche Variante, eine spürbar sicherere Lösung, inklusive einer etwas mehr europäisch adaptierten Innenraumofferte, noch Spielraum oder Gestaltungsaufgabe vorhanden. Der VOLT fährt sich absolut unproblematisch leichthändig, hat ein ausgeglichenes Fahrwerk, das lediglich beim Überfahren von Fahrbahnnähten kurz trocken durchrumpelt, ansonsten aber zwischen sportlich und komfortabel ausgelegt ist. Die Antriebsleistung nebst einem beachtlichen Drehmoment von 370 Newtonmetern ermöglicht einen überzeugenden Sprint von 0 auf 100 km in 9 Sekunden, was dann aber unwirtschaftlich wird: Ein sanfter Gasfuß ist hier gefragt. Die Lenkung arbeitet superleicht, aber mit etwas wenig Rückmeldung von unten. Das beiliegende Elektrokabel zum Aufladen der Akkus hat einen festen Platz im unteren Kofferraum und passt an jede 230-Volt-Steckdose. Und wenn diese dann auch noch mit solarer Energie gefüttert würde, hätte das VOLT-System noch mehr Vorzüge gegenüber klassischen Hybrid-Antrieben, deren elektrische Reichweite wesentlich kürzer ist und deren Verbrennungsmotoren spürbar mehr Sprit benötigen. Da der Basispreis bei 41.950 Euro beginnt, stellt der Chevrolet VOLT durchaus eine reizvolle Alternative dar. Aber eben weniger für die Jugend, die zwar das Innendesign mögen könnte, aber kaum über die finanziellen Mittel verfügt. Und die reifere Generation, die das Geld dafür hätte, würde sich eine ein wenig mehr zurückhaltende Gestaltung des Wohnzimmers wünschen. Es ist sicher noch nicht zu spät, um diese trendigen Kleinigkeiten erfolgversprechend umzusetzen.

Text und Bilder: Frank Nüssel/CineMot

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