Om mani padme hum … ertönt es überall aus neuen und alten CD-Playern. Dieser schöne entspannende Mönchsgesang bildet einen krassen Gegensatz zu dem quirligen Treiben in Nepal. Wer nach Nepal reist wird am Flughafen in Kathmandu zunächst von der Lebendigkeit dieses Landes erschlagen. Überall tummeln sich Menschen, Autos, Motorräder, Hunde und Kühe; überall liegt Müll oder wird verbrannt. Das an Ruhe gewöhnte europäische Ohr vernimmt ein zunächst nerviges Dauergehupe … und dazwischen … ertönt OM mani padme hum. Ruhe und Krach, höchste Berge, Reisfelder und Elefantenreiten, Mönche, Müll, streunende Hunde, tiefster Glaube, verschiedenste Religionen, Freundlichkeit, Kälte und Wärme … dies alles und noch viel mehr ist Nepal.
Jährlich reisen tausende Touristen und Bergsteiger in dieses kleine Land zwischen Indien und China. Ich gehöre auch dazu. Seit ich 2004 zum ersten Mal die Aussicht auf Mount Everest, Lohtse, Nuptse und Co. genießen durfte, träumte ich davon noch einmal in den Himalaya zu reisen. Expeditionscharakter hat die Haupttrekkingroute zum Mount Everest Base Camp schon Jahre nicht mehr, doch trotz vieler neuer Unterkünfte am Wegesrand wird hier die warme Dusche zum absoluten Luxus und jeder muss auf eigenen Füßen nach oben wandern; Autos oder Seilbahnen gibt es hier zum Glück noch nicht. Jedes Lebensmittel und jedes Getränk wird mit Yaks oder menschlichen Trägern zu den Dörfern und Bewohnern über viele Kilometer holprigen und steilen Geländes gebracht.
Wir wählten unsere Wanderroute in Richtung Everest Base Camp, wobei das Base Camp selbst nicht unser Ziel war. Im November ist dies sowieso nicht mehr so interessant, weil sich dort zu diesem Zeitpunkt keine Gipfelanwärter mehr befinden und nur noch eine Steinwüste zu sehen ist. Unser Weg führte uns von dem kleinen Bergflughafen Lukla (2.860 m) über den Handelsort Namche Bazar (3.440 m) zu der Bergsiedlung Gokyo (4.750 m). Auch kein unbekanntes Trekkingziel und technisch nicht anspruchsvoll; aber dennoch in traumhafter Landschaft umgeben von 5 wunderschönen Seen; umringt von 6-, 7- und 8.000 m hohen Bergen. Von dort aus wanderten wir über den Renjo La-Pass (5.417 m) in mehreren Tagen über die Orte Thame und Namche Bazar wieder nach Lukla zurück. Bis vor wenigen Jahren war dieser Pass verboten, da kurz oberhalb von Thame das Grenzgebiet zu Tibet gesperrt war. Diesmal begegneten uns zahlreiche Yakherden mit ihren tibetischen Führern, die auf dem 7-tägigen Heimmarsch von Namche-Bazar nach Hause waren. Der Flug von Lukla nach Kathmandu machte uns etwas Sorgen, denn aufgrund der Wetterverhältnisse in Lukla flogen 7 Tage keine Flugzeuge von und nach Lukla, über 1.500 Touristen saßen in Lukla fest und viele verpassten sogar ihren internationalen Flug. Glücklicherweise landete unser Flugzeug mit 2 Stunden Verspätung ohne Absturz und übermäßiges Rütteln im quirligen Kathmandu, wo wir noch 3 Tage Zeit hatten uns in das alltägliche Getümmel zu stürzen und alte Tempel anzuschauen.
Entweder man kommt einmal nach Nepal oder 20 Mal, sagte mir ein österreichischer Bergführer, der nun schon seine 16. Tour im Himalaya leitete. Zumindest zum 2. Mal besuchte ich Nepal und hoffe, dass ich noch einige Male die Großartigkeit dieser Landschaft und die Freundlichkeit der Menschen erleben darf. Das nächste Mal vielleicht auch einen 6- oder 7.000 m hohen Gipfel besteigen … wer weiß …
Der Erstbesteiger des Mount Everest, Sir Edmund Hillary, verkündigte vor vielen Jahren den Besuchern Nepals: Nepal ist nicht da, um verändert zu werden, sondern um Sie zu verändern! Genau so ist es.
Text und Fotos: Dorothée Schellenbach