Sandra Aamodt/Samuel Wang: Welcome To Your Brain. Ein respektloser Führer durch die Welt des Gehirns. Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv); 11,90 Euro
Nur zu bekannt ist jener Witz, in dem eine genervte Ehefrau feststellt, dass ihr Mann an einem Gehirnschlag jedenfalls nicht sterben wird … Der wahre Kern im Witz ist aber: Erst in den 20 Jahren wurde überhaupt allerlei Wissenswertes und Relevantes rund ums Gehirn herausgefunden. So schreiben es Sandra Aamodt und Samuel Wang.
Ihr Buch (das übrigens nicht chronologisch aufgebaut ist, sondern in beliebiger Kapitelfolge gelesen werden kann, beginnen die Autoren mit einem wirklich verblüffenden Quiz rund um Mythen und Fakten des Gehirn-Wissens.
1.
\x09Omega-3-Fettsäuren im Fisch können dazu beitragen, die Hirnleistung im Alter zu verbessern.2.
\x09Blinde hören besser als Sehende.
Satz (1) ist richtig, aber Satz (2) gehört ins Reich der Märchen. Tatsächlich kompensieren Blinde die fehlende Sehfähigkeit dadurch, dass eine andere Fähigkeit in der Regel besser ausgeprägt ist. Aber das ist nicht der Hörsinn, sondern – das Gedächtnis. Die Begründung von Aamodt und Wang ist überaus einleuchtend: Ein Blinder, der eine Tasse in den Küchenschrank räumt, kann sich, wenn er den Vorgang vergessen hat, nicht durch einen Blick in den Kühlschrank vergewissern. Ergo muss das Gedächtnis dies kompensieren: Ich erinnere mich genau, das getan zu haben.
Die Reise durch die Welt des Gehirns verblüfft nahezu auf jeder Seite: Warum kann man sich eigentlich nicht selbst kitzeln? Weil unser Gehirn zu einem gewissen Teil dauerhaft damit befasst ist, unser eigenes Tun vorauszuahnen. Deswegen bleibt der Überraschungseffekt, der zentrales Element des Kitzelns ist. Deswegen zuckt man auch nicht zusammen, wenn man sich selbst auf die Schulter tippt, wohl aber, wenn das jemand von hinten tut, den wir nicht haben kommen sehen und auch nicht haben kommen hören.
Kann man das Gehirn aber vielleicht doch überlisten? Manchmal schon, jedenfalls funktionieren Medikamente so: Wer das Gehirn überlisten will, kann es – zumindest teilweise – mit Chemie tun. Denn so funktionieren Antidepressiva. So werden viele Patienten erstaunt darüber sein, dass das ihnen verordnete Fluoxetin dasselbe molekulare Ziel verfolgt wie – Ecstasy! Die Wirkung beruht auf einem Ausbremsen der Serotoninaufnahme im Gehirn. Wenn das Serotonin nicht so schnell verbraucht wird, bessert sich auch die Stimmungslage. Entscheidend ist aber ein anderer Effekt: Fluoxetin macht nicht süchtig, Ecstasy sehr wohl.
Noch etwas Lustiges zum Schluss: Woran merken wir eigentlich, dass ein Witz uns zum Lachen bringt? Wegen des Überraschungsmoments – die Pointe ist das Unerwartete. Wenn jemand einen bestimmten Witz nicht versteht, mag’s am persönlichen Gusto liegen. Wenn jemand aber viele Witze nicht versteht und auf Festivitäten aller Art so langsam als Spaßbremse durchgeht, kann das eine anatomische Ursache haben: Menschen mit einer bestimmten Ausprägung Frontallappen des Gehirns, so Aamodt und Wang, verstehen keine Witze. Es muss also nicht an demjenigen liegen, der mit seinem Witz auf keinerlei Resonanz stößt.
In 31 Kapiteln wird hier tatsächlich eine Wunderwelt erklärt, die wir täglich benutzen – zu weit mehr als zehn Prozent, wie ein hartnäckiger Mythos behauptet, der gerne mit Einstein in Verbindung gebracht wird als einer von dessen markanten Sprüchen. Da kann es nicht schaden, etwas mehr über das zu wissen, was wir benutzen. Aber vieles davon müssen die Wissenschaftler selbst erst noch lösen bzw. Lösungen präzisieren.