Joy Fleming: L'attraction. (Global Records/Alive)
Disco: Synthesizer, elektronische Effekte, tanzbare Ohrwürmer … in den siebziger Jahren ist das wie eine Epidemie durch die deutschen Charts gefegt. Dann hat sich die Epidemie wieder gelegt, aber unbestritten nachfolgenden Trends ihren Weg geebnet.
Disco: Wie klingt es, wenn man sowas mal eben ins Jahr 2008 beamt? Die Antwort auf diese Frage gibt Joy Flemings neue CD L'attraction. Zehn Titel, mit denen sie die Möglichkeiten ihrer grandiosen, oktavenreichen Stimme mit den Möglichkeiten moderner Soundeffekte verbindet. Augen zu, und schon fühlt man sich mitten auf der Tanzfläche. Oder aber nur zum Entspannen und Genießen zu Hause.
Das Besondere an L'attraction ist, dass die Elektronik hier eben nicht eingesetzt wird, um ein dünnes Stimm-Material zuzuschütten und halbwegs hörbar zu machen. Sondern dass die elektronischen Effekte zwar reizvoll-künstlich klingen, aber eine gute Stimme sehr schön in Szene setzen. Das fügt Joy Flemings Repertoire, das ohnehin schon vom Neckarbrückenblues bis zur eigenen Interpretation von Stevie Wonders Superstition reicht, noch eine weitere Facette zu.
Mehrfach hat Joy Fleming im Laufe ihrer Karriere Trends gesetzt: So geschehen 1975, als sie sich mit Ein Lied kann eine Brücke sein die Fahrkarte zum Grand Prix Eurovision holte und mit ihrem Grenzgang zwischen Pop und Soul diverse Gemüter überforderte. Ihr Wunsch, die Brücken in schwarzem Hosenanzug und mit offenem Haar vorzutragen, versetzte den Grand-Prix-zuständigen Unterhaltungsredakteur in panikartige Zustände. Dies und anderes Drumherum ist längst vergessen und Ein Lied kann eine Brücke sein hat Kultstatus. Fünf Jahre später zeigte Joy mit Vocals And Keyboards Only, wie wenig Instrumentalbegleitung eine wirklich gute Stimme braucht. Die LP ist heute eine gesuchte Rarität. Gut möglich, dass sich die deutsche Blues- und Rock-Röhre mit L'attraction einmal mehr als Trendsetterin entpuppen wird.