Die Hersteller müssten mit einem ausgewogenen Innovationsmanagement dafür sorgen, dass die Autos der Zukunft attraktiv für Kunden seien, zugleich für breite Schichten bezahlbar blieben und die immer strikteren gesetzlichen Auflagen erfüllten. Die aktuelle Studie Car Innovation 2015 der Strategieberatung Oliver Wyman zeigt, welchen Weg Hersteller und Zulieferer gehen müssen, um künftig zu den Innovationsführern zu gehören. Die Erfolgsfaktoren seien langfristige Innovationsvisionen, intelligente Geschäftsmodelle, ein am Kunden orientiertes Innovationsmarketing und kostengünstige Entwicklungsprozesse.
Angesichts steigender Emissionsanforderungen und zunehmender Rohstoffknappheit sei das gesamte Konzept individueller Mobilität in Gefahr. Nur über innovative und bezahlbare Technologien – vor allem bei Antriebskonzepten und bei Werkstoffen – ließe sich das volle Wachstumspotenzial von 100 Millionen Fahrzeugen bis zum Jahr 2020 realisieren.
Im Jahr 2006 erreichten die zehn innovativsten Zulieferer eine um 16 Prozentpunkte über dem Branchendurchschnitt liegende EBIT-Marge. Gegenwärtig investiere die Automobilindustrie jährlich etwa 68 Milliarden Euro in Forschung/Entwicklung und beschäftigt weltweit 800.000 Ingenieure. Doch 40 Prozent aller F&E-Investitionen fließen in Projekte, die es nicht ins Serienauto schafften oder die aufgrund ungenügender Kundenakzeptanz nie in ausreichender Stückzahl produziert würden. Weitere 40 Prozent würden für die Serienentwicklung sowie für die Erfüllung gesetzlicher Auflagen benötigt. Bisher diene nur ein Fünftel aller F&E-Investitionen der Differenzierung im Wettbewerb, so die Studie. Diesen Anteil auf 30 und mehr Prozent zu erhöhen, müsse das Ziel aller Hersteller und Zulieferer sein. Denn bis 2015 werde die Branche insgesamt rund 800 Milliarden Euro für F&E ausgeben – rund 40 Prozent davon würden Fehlinvestitionen sein.
Laut Studie gebe es fünf Kriterien für die Verbesserung des Innovationsmanagements: Orientierung von Forschung/Entwicklung am Kunden und an Marktentwicklungen, aktive Neuausrichtung des Innovationsportfolios, kontinuierliche Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und des Risikomanagements von F&E, Unterstützung einer offenen Organisation und Kultur, um auch Trends aus anderen Branchen übernehmen zu können, sowie regelmäßige Überprüfung der Aktualität und Stimmigkeit der Innovationsstrategie.
Welche Autos mit welchen Features werden in zehn und mehr Jahren benötigt? Hier hilft die Analyse von Megatrends. Zu diesen gehört die anhaltende Verstädterung einschließlich der Bildung von Megastädten. 2015 werden 40 Prozent der gesamten Weltbevölkerung in Städten mit mehr als einer Million Einwohnern leben, zumeist mit erheblicher Parkplatznot, Stauproblemen und Emissionsbeschränkungen. Stadtautos – bisher ein Randthema der Automobilindustrie – würden künftig ein ernstzunehmendes Entwicklungsziel.
Der Fokus neuer Technologien könnte auf folgenden Bereichen liegen: Infotainment, Entspannung in Stausituationen, zuschaltbarer Blickschutz und erhöhte Sicherheit bei möglichen Überfällen. Ein weiterer Megatrend ist die zunehmende Ungleichverteilung der Einkommen. Diese würde dazu führen, dass ein großer Teil des automobilen Wachstums bis 2015 in den unteren Fahrzeugsegmenten stattfindet.
Die Studie zeige, dass die Herausforderungen der Automobilindustrieschon weitgehend durch aktuelle Innovationsprojekte abgedeckt würden. Doch die genaue Analyse von mehr als 300 sich in der Neu- und Weiterentwicklung befindenden Automobiltechnologien offenbare, dass nur rund zehn Prozent das Potenzial besäßen, Blockbuster-Innovationen zu werden. Sie haben sowohl das nötige Marktpotenzial als auch einen hohen Innovationsgrad. Allerdings bergen sie auch hohe Risiken. Denn je größer der Innovationsschritt ausfällt, desto höher sind auch die Entwicklungsrisiken wie Alltagsuntauglichkeit oder zu hohe Kosten.
Die erfolgreichsten Technologien mit einem Wachstum von acht Prozent und mehr würden Software, Halbleiter, Displays und Antriebssysteme sein. Elektrik und Elektronik blieben auch weiterhin die wichtigsten Treiber für 60 Prozent aller Innovationen. Ihr jährliches Wachstum beträgt sechs Prozent. Um Kosten zu optimieren, wird es klare Trends zur Integration und Zusammenlegung verschiedener Funktionen sowie zu einer weiteren Standardisierung geben.
Ein Test bei 50 Autohändlern hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Innovationen zu erklären, enthüllte zudem wenig Interesse am Verkauf und ein noch geringeres Wissen über Funktion und Nutzen einzelner Technologien. Im Schnitt werde gegenwärtig nur eine von sechs angebotenen Innovationen auch verkauft. Außerdem wurden 550 Neuwagenkäufer in Deutschland und in den USA zu ihrer Akzeptanz von Innovationen und zu ihrem Budget für Sonderausstattungen befragt. Das Ergebnis: Die überwiegende Mehrheit der Kunden sucht vor allem ein verlässliches Auto zu einem vernünftigen Preis. Der wichtigste Kauffaktor sind also niedrige Gesamtkosten (Total Cost of Ownership).
In den industrialisierten Ländern stieg der Preis für einen Neuwagen innerhalb der vergangenen 20 Jahre um 100 Prozent, das Durchschnittseinkommen dagegen nur um 50 Prozent.
Damit das Auto auch 2015 noch bezahlbar ist und gleichzeitig Gewinne abwirft, müssten laut Studie pro Auto 1.500 Euro eingespart werden. Das entspricht elf Prozent der Kosten. Die F&E-Ausgaben der einzelnen Hersteller gehen dabei weit auseinander: Pro Auto investiert Spitzenreiter BMW mit 1.796 Euro fast 15 Mal so viel wie Hyundai (120 Euro pro Auto).
Text und Fotos: Erwin Halentz