Auto „aus dem Wok“?

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Mit dem Brilliance BS6 wird zum ersten Mal ein chinesisches Auto in Europa eingeführt: Was Japaner vor gut drei Jahrzehnten und Südkoreaner vor eineinhalb Jahrzehnten angefangen und erfolgreich weiter geführt haben, das wollen die Chinesen jetzt nachmachen. Mit dem Brilliance BS 6 soll noch Ende dieses Jahres das erste Automobil eines chinesischen Herstellers in Europa, darunter auch in Deutschland, eingeführt. werden. Als Zhonghua wurde das Modell, das in die obere Mittelklasse einzuordnen ist, auf der Leipziger Automobilausstellung 2005 erstmals der staunenden Öffentlichkeit vorgestellt. Jetzt stehen die Chinesen in den Startlöchern, dank tatkräftiger Unterstützung europäischer und asiatischer Partner und Zulieferer, aber auch mit dem festen Willen, aus eigener Kraft ein Fahrzeug, das europäischen Wertvorstellungen in Komfort, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit in nichts nachsteht, zu fertigen. Wir wollen mit exzellenten Produkten und einem erstklassigen Service den europäischen und damit auch den deutschen Markt erobern, sagte Yu Min Chi, Chief Executive Officer (CEO) der Shenyang Brilliance JinBei Automobile Co. Ltd bei der Europapremiere des ersten Autos aus dem Reich der Mitte am Dienstag in Bonn.

Wie schon die Japaner, vor allem aber die Südkoreaner wie Kia und Hyundai, wollen auch die Chinesen über die Preisschiene in Europa ins Geschäft kommen. Der im chinesischen Shenyang gefertigte BS 6, dem in den nächsten beiden Jahren noch kompakte Modelle wie der BS 4 und der BS 2, sowie ein Coupé und ein Sports Utility Vehicle (SUV) folgen sollen, wird zu einem Preis ab etwa 19.000 Euro auf den deutschen Markt kommen. Generalimporteur ist die in Luxemburg ansässige Firma HSO, die Importeure mit einem bereits vorhandenen Händlernetz zunächst in Deutschland, Polen und den Benelux-Staaten aussucht. Die ersten Vertragsabschlüsse stehen unmittelbar bevor, sagte deren Geschäftsführer Professor Hans-Ulrich Sachs bei der Präsentation. Brilliance will weg vom Massenprodukt, die Europa-Premiere ist nicht das Ziel, sondern der Anfang von Brilliance in Europa, gab der Chef des Generalimporteurs die Richtung vor.

Das erste Chinamobil wird zunächst mit zwei Benzin-Motoren (2.0 Liter mit 122 PS und 2.4 Liter mit 130 PS) in den Ausstattungslinien Komfort und Deluxe zu Preisen von (etwa) 19.000 und 23.000 Euro angeboten. Die Motoren stammen aus dem Hause Mitsubishi. Ein Diesel soll im nächsten Jahr folgen, die beiden Benziner-Modelle erfüllen beide die Schadstoffnorm Euro 4.

Der kleinere der beiden Benziner erwies sich bei ersten Testfahrten allerdings noch als etwas schwach auf der Brust, das Fahrwerk dagegen hatte guten europäischen Status, nur bei der Handschaltung hakelte es zuweilen noch etwas. Ansonsten herrschte im Innenraum gediegene Atmosphäre mit viel Plastik und Wurzelholz-Imitation. Die Sitze haben genügend Auflagefläche, könnten allerdings etwas mehr Seitenführung vertragen. Platz für die Passagiere ist in beiden Sitzreihen ohne Beanstandungen vorhanden, auch der Kofferraum mit seinen 550 Litern Rauminhalt stellt zufrieden. ABS, EBD, Fahrer- und Seitenairbags gehören zur serienmäßigen Sicherheitsausstattung, ein elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP) soll im nächsten Jahr folgen. Bei den Euro-NCAP-Crashtests scheiterte der Brilliance BS6 knapp an der Marke von drei Sternen, aber wir werden mit Sicherheit bald drei und sogar auch vier Sterne erzielen, gab sich Sachs optimistisch.

15.000 Fahrzeuge will Brilliance im nächsten Jahr in Europa verkaufen, bis zum Jahre 2011 sollen es dann in insgesamt 20 Ländern deren 50.000 sein. Als Mitbewerber sehen die Chinesen in erster Linie die beiden koreanischen Hersteller Kia und Hyundai sowie die japanischen Produkte von Nissan und Mazda. Brilliance hat sich selbst das Kürzel SQS (Sicherheit, Qualität, Service) als Antriebsfeder seiner Produktion mit auf den Weg gegeben. Nun ist also das Auto aus dem Wok angerichtet. Die Beantwortung der Frage, ob sich auch die dritte Macht aus Asien in absehbarer Zeit auf dem europäischen Kontinent durchsetzen wird, dürfte spannend werden.

Text: Jürgen C. Braun
Foto: Werner Poggenpohl

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