Auf Abenteuerpisten durch Island

Beitragsbild
Foto 1
Foto 2
Foto 3
Foto 4

Na, wenn das mal kein ermutigender Auftakt war: Kilometerlange Schotterpisten, fragile Brücken, wüstes Geröll und endlose Ödnis – aber ohne Panne und nur mit einer kleinen Wasserdurchfahrt haben wir die Kjölur-Route bewältigt und es in kaum fünf Stunden von der isländischen Hauptstadt Reykjavik nach Akureyri geschafft. Klar, hätten wir auch die Ringstraße nehmen können, die mittlerweile fast durchgehend asphaltiert ist und den 100.000 Quadratkilometer großen Vulkanfelsen im Atlantik auf 1.336 Kilometern umrundet.

Aber dort fahren schließlich nur die Touristen, und wir haben uns ja nicht umsonst einen Geländewagen besorgt. Zugegeben, mit einem Allrad-Abenteurer wie dem Mercedes G-Modell oder dem Land Rover Defender hat unser Mazda CX-7 etwa so viel gemein wie Jakobswanderer Hape Kerkeling mit Indiana Jones. Doch auf der Route 35 macht der SUV im Smoking seine Sache jedenfalls sehr ordentlich. Das mag auch daran liegen, dass die Isländer vor ein paar Jahren das „F“ vor den Nummer auf den spärlichen Schildern gestrichen und die Kjölur damit zu einer offiziellen Straße geadelt haben, über die sich die Einheimischen sogar im Toyota Yaris trauen. Aber das ändert nichts daran, dass die Piste uns Mitteleuropäern schlimmer vorkommt als der wüsteste Feldweg in der Erntezeit und wir verdammt stolz auf uns und unseren Wagen sind, dass wir den Ritt heil überstanden haben.

Doch jetzt in Akureyri im Norden der Insel stellt sich die Frage, wie wir wieder zurück nach Reykjavik kommen. Die 35er-Route noch einmal zu fahren, ist langweilig. Aber sollen wir wirklich mit dem Erreichten zufrieden sein und sicherheitshalber doch die Ringstraße nehmen? Ober stimmt uns der erste Tag so zuversichtlich, dass wir es jetzt richtig wissen wollen uns auf die Sprengisandur trauen? Sie ist die Mutter aller Hochlandpisten, weit davon entfernt ihr „F“ zu verlieren, und schneidet einmal quer durch die Insel: Über 300 Kilometer, also weiter als von Köln nach Karlsruhe, führt sie durch die Staub-, Stein- und Lavawüsten der Vulkaninsel – und ist meist nicht viel mehr als ein Strich im Schmutz, der zum Beginn der Saison mit dem Radlader gezogen wird. Asphalt jedenfalls sieht man auf dieser Strecke keinen.

Zwar rät uns im Ort jeder ab, als wir nach der Hochlandpiste fragen und sie unser Auto sehen. „Der ist für die vielen Furten einfach nicht geeignet“, sagen sie nach einem mitleidigen Blick auf den CX-7, der neben den isländischen Bigfoots zum Allrad-Däumling schrumpft. „Der säuft euch in der erstbesten Pfütze ab – und davon gibt es auf der Kjölur reichlich.“

Nach einer Nacht voll Zaudern und Zweifeln, die auch nicht geringer wurden, als wir partout nirgends im Internet die Wattiefe des Mazdas finden konnten, nehmen wir allen Mut – oder Übermut? – zusammen, erliegen der Neugier auf das, was nur die wenigsten Touristen zu sehen bekommen und biegen kurz hinter Akureyri von der Ringstraße ab. Direkt am legendären Godafoss weist ein kleines Schild den Weg aus der Zivilisation. Es folgen ein paar Warnhinweise über die Risiken von Geländefahrten ohne Geländewagen, ein eindringlicher Appell der isländischen Autovermieter an die Vertragstreue ihrer Kunden – und ein Gatter, das uns den Weg versperrt. Wer dort durchfährt, so die unmissverständliche Botschaft, ist für die nächsten Stunden auf sich gestellt.

Gut, dass unser Mazda einen Diesel unter der Haube hat, der Tank 70 Liter fasst und der Bordcomputer trotz des schweren Terrains eine Reichweite von weit über 500 Kilometern anzeigt. Denn ein weiteres Schild macht klar, auf was wir uns hier einlassen: Nächste Tankstelle in 241 Kilometern! Eigentlich sollten wir nicht nur ein paar Dosen Cola und Kekse, sondern auch einen Kanister voll Sprit mitnehmen. Und ein weiteres Ersatzrad oder ein paar warme Decken wären auch nicht schlecht.

Bis zur ersten Furt werden wir es schon schaffen, lautet unser Mantra, als sich der Mazda in die Mondlandschaft vorpirscht. Doch dummerweise kommt die erst in über 100 Kilometern. Die letzten Grashalme sind da seit Stunden aus Blickfeld verschwunden. Statt Bäumen gibt es turmhohe Brocken von Lava, statt durch Wiesen fährt man durch Wüsten aus Staub und Geröll, und am Horizont sieht man, wie riesige Gletscher und dunkle Wolken miteinander verschmelzen. Umdrehen? Weiterfahren? Diese Frage stellt sich nach jeder Kurve und jeder Kuppe aufs Neue. Denn ist man erst einmal auf der Strecke, gibt es keine Alternative: Entweder man beißt sich durch. Oder man macht kehrt und nimmt doch die Ringstraße. Andere Routen gibt es hier nicht.

Und leider auch keine andere Autos. Stundenlang kämpft sich der Mazda gen Süden und ist allein auf weiter Flur. Ein Geländebus im Linienverkehr kommt uns entgegen, drei Schweizer Defender mit Allradabenteurern und ein Hanomag-Wohnmobil aus Niedersachsen, mehr ist heute nicht los auf der zweitwichtigsten Straße – Verzeihung: Piste – von Island, die immerhin seit dem 15. Jahrhundert zwischen Hofsjökull, Vatnajökull und Askja den Süden mit dem Norden verbindet und erst 1933 zum ersten Mal mit einem Auto bewältigt wurde.

Die Strecke wird immer abenteuerlicher. Statt Kies haben wir längst Schotter unter den Rädern und alle paar Kilometer muss der Mazda über ein Geröllfeld kraxeln. Natürlich hat er keine Geländeuntersetzung, und statt Offroad-Reifen müssen die normalem Allseason-Gummis genügen. Aber mit 260 PS, 380 Nm und einem sehr sensiblen Gasfuß kraxelt der Japaner erstaunlich behände durch die isländische Mondlandschaft.

Kurz bevor uns doch noch der Mut verlässt, taucht im Rückspiegel ein weiterer Geländewagen auf. Leiffur heißt der freundliche Mann am Steuer des Land Cruisers, der hier oben im Niemandsland die Fischrechte besitzt und deshalb alle paar Tage die acht Stunden aus Akureyri heraus fährt, um seine Ruten in die Gletscherseen zu werfen. „Ich kenn mich hier aus“, versichert er glaubhaft, „und mit ein bisschen Glück solltet ihr schon durchkommen“, sagt er beim Blick auf dem mittlerweile ordentlich eingesauten Boulevard-Geländewagen.

Dann setzt er sich vor uns und spielt den Guide über Gletscher und Geröll. Im Kriechgang führt er uns über die Furten, weist den Weg durch Bachläufe, die breiter sind als mancher heimische Bergsee und erklärt, worauf es hier ankommt. „Man muss früh fahren, solange es noch kalt ist.“ Denn je länger die Sonne scheint, desto stärker ist die Gletscherschmelze und desto höher steht das Wasser auf dem Weg. Was das bedeutet, kann man zum Beispiel an der Hütte Nýidalur sehen: Noch reicht uns die eisige Brühe nur bis kurz unter die Radhäuser. Doch auf dem ebenso unwirklichen wie unwirtlichen Campingplatz hinter der Furt erzählt uns der Ranger, der die einzige Zwischenstation auf dem Weg durch die Hochebene betreut, von Dutzenden Geländewagen, die hier jeden Sommer absaufen und aufwendig geborgen werden müssen. Und im Internet findet man hunderte von Bildern, auf denen sich die Insassen mühsam aufs Dach gerettet haben.

Drei Stunden kriechen wir hinter Leiffur her, bevor er uns noch einmal zur Seite winkt. „Eine Furt noch, dann habt ihr es geschafft“, sagt der Isländer führt uns durch den letzten Bach und dreht ab zu seinen Fischgründen. Für uns geht die Reise noch einmal drei Stunden weiter durch die Ödnis, bis sich so ganz langsam wieder die Zivilisation ankündigt. Zwar liegt auf der Straße noch immer Schotter. Aber zumindest gibt es jetzt wieder Barken am Fahrbahnrand und hin und wieder sogar Verkehrsschilder. Eines davon weist zur Ringstraße: Noch ein paar Dutzend Kilometer bis zum Asphalt und der Rückkehr in den Alltag.

Dort angekommen, ist vom Smoking unseres SUV nicht mehr viel zu sehen. Stattdessen trägt der CX-7 jetzt einen schmutzigen Blaumann, auf dem graue Matschklumpen und eine dicke Staubschicht kleben. Doch den Abstecher werden wir uns schenken und den Schmutz trägt unser Auto bei der abendlichen Fahrt in die Hauptstadt wie einen Orden. Die Autos der anderen Touristen mögen zwar sauberer sein. Aber die haben von Island auch nur die Hälfte gesehen.

Text und Fotos: Spot Press Services/Benjamin Bessinger

Nach oben scrollen