Vangelis – Ein Nachruf

Drei junge griechische Musiker, alle um die 20, wollen nach London, ins Pop-Mekka. So sehen sie auch auf den Covern ihrer ersten Schallplatten auf. Sie wollen Musik machen, sonst erst mal nichts. Und auf dem Weg in die britische Haupstadt bleiben sie im von studentischen Unruhen geprägten Paris der Sechziger hängen, und das wird ihr Glück: Als „Aphrodite’s Child“ erobern Vangelis Papathanassiou, Demis Roussos und Lucas Sideras europaweit die Charts, nachdem in der französischen Hauptstadt ihr Talent den richtigen Leuten auffiel: „Rain and Tears“, aufbauend auf einem Kanon des deutschen Komponisten Pachelbel, wird ein Top-Hit. „I Want To Live“, „Spring, Summer, Winter And Fall“, vieles, was gut ankommt, geht schon in Richtung Progressive Rock, aber so „abgeschmeckt“, dass es nicht nur eine Handvoll Fans begeistert, mit „Such A Funny Night“ gelingt ihnen andererseits auch ein typischer Pop-Song, bei dem die Bouzouki so dominiert, dass klar wird, woher die Männer hinter dem Sound kommen.

Mit „666“ legen die drei noch ein Doppelalbum vor, das von Vangelis geprägt ist, seine Ambitionen für die künftige Karriere deutlich macht und damit zeigt: Die Zeit des Trios ist vorbei. Vangelis will im Studio arbeiten, tüfteln, experimentieren, Lucas Sideras zieht sich zurück und lässt nur noch sporadisch musikalisch von sich hören, Demis Roussos startet eine Solokarriere als musikalischer Botschafter seines Heimatlandes, sozusagen: Vicky Leandros‘ Vater Leo schneidert ihm Schlager maßgerecht zusammen fürs deutsche Publikum, aber auch international kommt das hervorragend an.

Vangelis veröffentlicht ambitionierte Alben wie „Earth“, „Albedo 0.39“ und „China“, aber einem großen Publikum bringt er sich erst wieder 1981 in Erinnerung, mit dem Soundtrack zu „Chariots Of Fire“. Soundtracks sind es auch, die ihn im Bewusstsein dieses Publikums halten, zu „Blade Runner“ und natürlich „1492 – Conquest Of Paradise“. Als Soundtrack-Komponist bekommt er einen Oscar, bleibt weiterhin experimentierfreudig, veröffentlicht noch 2021 ein Album („Juno To Jupiter“, dessen Vinyl-Version für Liebhaber dieser Klangform erst deutlich später veröffentlicht wird als die CD, genau am 4. Februar 2022.

Mit seinem früheren Bandkollegen Demis Roussos hat er wiederholt als Produzent zusammengearbeitet, was sich in einem Roussos-Gesangspart in „Blade Runner“ äußert, vor allem aber im 1977er-Album „Magic“. Es hat bis heute einen ähnlichen Kult-Status wie das seinerzeit nur unter Schwierigkeiten veröffentlichte „666“. Die Plattenfirma hatte sich damals für das letzte zu liefernde Album aus dem Band-Vertrag wohl erst etwas Gefälligeres und weniger Komplexes vorgestellt. Am Ende hatten sich Vangelis‘ Vorstellungen offenbar durchgesetzt. Die „gefälligere“ Musik blieb ihm dennoch nicht fremd: Mit Jon Anderson landete er („I’ll Find My Way Home“) 1982 europaweit einen Top-Hit, heute längst ein Evergreen.

Sein Privatleben hat er ganz bewusst aus der Öffentlichkeit herausgehalten. Fragen hierzu beantwortete er, wenn überhaupt, nur knapp und eher allgemein. Als Künstler hat er die Öffentlichkeit nicht gemieden, aber auch nicht um jeden Preis gesucht. Heute gilt er zu Recht als Pionier der elektronischen Musik, und als Pionier dieser Musik, die ein großes Publikum über Jahrzehnte begeistern kann. Umso überraschender kam die Nachricht von Vangelis‘ Tod am 17. Mai 2022. Bekannt gegeben wurde er erst Tage später – ebenso wie der Hintergrund: Vangelis war zuvor in einem französischen Krankenhaus wegen COVID-19 in Behandlung gewesen.

Cover: Universal Music

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