An Edgar Selge kommt niemand vorbei, der ins Kino und/oder Theater geht und/oder einen Fernseher besitzt. Eine Vielzahl von Rollen prägt seine Karriere, von denen die bekannteste die des einarmigen Polizisten Tauber im „Polizeiruf 110“ sein dürfte. Jahrelang gab Selge hier das melancholische Pendant zur eher draufgängerischen Jo Obermair, verkörpert von Michaela May.
Schreiben kann der Mann auch noch, das hat er mit seinem Debüt bewiesen. „Hast du uns endlich gefunden“ ist stark autobiographisch geprägt, was aber nicht zu einer jener Nabelschau-Darstellungen führt, mit denen rückblickend Erfolg an Erfolg gereiht wird. Nein, Selge erzählt von einer Kindheit in den Fünfzigern, die durchweg unspektakulär hätte verlaufen können – wäre da nicht der Beruf des Vaters gewesen: Der Gefängnisdirektor sucht privat seinen Ausgleich in der Hausmusik. Auch die Ehe der Eltern stellt sich dem Jungen nicht so eintönig-harmonisch dar, wie es das ideal im Wirtschaftswunderdeutschland war.
Kapitel für Kapitel verfolgt man das Aufwachsen in einer Zeit, die viele Leser*innen schon nicht mehr mit erlebt haben – sie sind schlichtweg zu jung dafür. Wie aus dem Jungen Edgar schließlich der gefragte Künstler Selge wurde – das wiederum ist eine spannende Geschichte, die es ohne den Hintergrund so vielleicht gar nicht gäbe.
Edgar Selge: Hast du uns endlich gefunden. Rowohlt Verlag; 24 Euro (e-Book: 19,99 Euro).