Recht: Kinder im Straßenverkehr

Auch Kinder unter zehn Jahren können bei einem Unfall haften. Das Kind muss allerdings einsehen können, dass sein Verhalten gefährlich war. So musste ein achtjähriges Kind Schadensersatz und Schmerzensgeld zahlen. Es hatte beim Fahrradfahren auf einer Promenade über einen längeren Zeitraum nach hinten zu den Eltern geschaut. Eine Fußgängerin verletzte sich beim Ausweichen schwer. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 19. Februar 2020 (AZ: 14 U 69/19), wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Während des Sommerurlaubs mit den Eltern fuhr das achtjährige Mädchen mit dem Fahrrad auf einer Uferpromenade. Die Eltern gingen in Ruf- und Sichtweite hinter ihrem Kind. Während das Mädchen fuhr, sah es über einen längeren Zeitraum nach hinten zu den Eltern. Dabei steuerte es auf eine Fußgängerin zu. Bei dem Versuch, einen Zusammenstoß mit dem Kind zu verhindern, stürzte sie von der Uferpromenade auf einen etwa einen Meter darunterliegenden Betonsteg, von dort ins Hafenbecken. Sie erlitt mehre Brüche und Bänderrisse und musste stationär behandelt werden. Die Eltern hatten noch versucht, das Kind durch Rufe zu warnen. Die Fußgängerin verlangte von dem Mädchen und dessen Eltern Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Das Landgericht hatte die Klage der Fußgängerin noch abgewiesen. Das Oberlandesgericht sprach ihr aber Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro zu. Für das Gericht bestand ein Anspruch gegenüber dem Kind, jedoch nicht gegen die Eltern. Diese hätten ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt. Zwar hafteten Kinder unter sieben Jahren generell nicht und wenn sie unter zehn Jahren alt seien, auch nicht für Schäden durch einen Unfall mit einem Kfz. Von sieben bis 17 Jahren hafteten Minderjährige aber für von ihnen verursachte Schäden, wenn sie „die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besitzen“. Dazu genüge die Fähigkeit des Kindes, zu erkennen, dass es in irgendeiner Weise für sein Verhalten zur Verantwortung gezogen werden könne.

Es ging also um die Frage, ob einem altersgerecht entwickelten achtjährigen Kind, das bereits seit seinem fünften Lebensjahr auch im Straßenverkehr Fahrrad fährt, bewusst war, dass es während der Fahrt nach vorne schauen muss und nicht über einen längeren Zeitraum nach hinten blicken darf. Aufgrund der persönlichen Anhörung des Mädchens war das Gericht davon überzeugt, dass diesem zum Unfallzeitpunkt bewusst gewesen sei, dass es ein Fehler war, während des Fahrens über einen längeren Zeitraum nach hinten geschaut zu haben.

Etwas anderes könne gelten, wenn das Kind sich aufgrund einer plötzlich auftretenden Situation reflexhaft verhalte. Das sei beispielsweise der Fall, wenn ein Kind einem Ball auf die Fahrbahn nachlaufe. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen. Deshalb sei das Mädchen für die Verletzungen der Fußgängerin verantwortlich und habe den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen.

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