Volkswagen: 50 Jahre K70

Dieser Volkswagen „wagte die Zukunft“ und war das Bindeglied zwischen Käfer und Golf. Mit dem heute fast vergessenen K70, einer seinerzeit hochmodernen Frontantriebs-Limousine, gelang den Wolfsburgern der Sprung nach vorn. Sogar das kantig-klare Design des Viertürers war visionär, stammte es doch vom Vater des NSU Ro 80, Claus Luthe.

Vor einem halben Jahrhundert präsentierte Volkswagen ein visionäres Volumenmodell, dessen Design seiner Zeit um viele Jahre vorauseilte und dessen fortschrittliche Technik die populärsten deutschen Platzhirsche schlagartig altern ließ. Nein, es geht einmal nicht um den Golf – oder indirekt doch. Denn dieser Wolfsburger „Rettungswagen“ und Erbe des VW Käfer verdankte seinen Erfolg dem vier Jahre zuvor eingeführten Volkswagen K70. Ein kantiges Mittelklassemodell, das die niedersächsischen Käferzüchter fast serienfertig aus dem Nachlass der gerade eingekauften Neckarsulmer NSU-Werke übernommen hatten und das ab 1970 bei Volkswagen alles verändern sollte. Mit wassergekühlten Frontmotoren und Vorderradantrieb kündigte der K70 einen Paradigmenwechsel in der Welt luftgekühlter Heckmotor-Bestseller an. Dafür spendierte ihm VW-Konzernchef Kurt Lotz sogar ein eigenes Werk, das in Salzgitter in nur wenigen Monaten aus dem Boden gestampft wurde. Ja, so etwas klappte damals noch, vielleicht, weil im ganzen Land der Glaube an Fortschritt durch Veränderung groß war.

Dennoch war der Heckmotor längst nicht tot, wie das klassische VW-Portfolio 1970 durch neue Rekordverkaufszahlen demonstrierte. Der K70 musste sich sogar mit einem luftgekühlten Konzern-Konkurrenten messen – und unterlag dem Typ 411. Und trotzdem ebnete das Stiefkind aus Neckarsulm Golf & Co die Bahn für lukrative Nachfolger.

Es war wie so oft in der Geschichte. Die Revolutionäre werden gefeiert, aber die ganz großen Erfolge ernten vorläufig weiter die Bewährten: Die Fachpresse feierte den zukunftsweisenden VW K70 mit euphorischen Schlagzeilen wie „Ro 80 für VW-Fahrer“, „Frontkämpfer“, „VW für Anspruchsvolle“ oder „Morgengabe für eine neue Mitte“. Aber die Verkaufszahlen der gleichfalls neu vorgestellten direkten Konkurrenten mit konventionellem Hinterradantrieb, also Ford Taunus und Opel Ascona, konnte der erste frontgetriebene Volkswagen mit 55 kW/75 PS oder 66 kW/90 PS starken 1,6-Liter-Vierzylindern nicht einmal ansatzweise erreichen. Sogar Mittelfeldspieler mit Premium-Image wie Peugeot 504 oder Audi 100 blieben populärer.

Daran änderte der 1973 nachgelegte K70 LS mit 74 kW/100 PS leistendem 1,8-Liter-Aggregat nichts. Der viertürige Volkswagen blieb ein Außenseiter, bis seine Produktion nach nur 210.000 Einheiten 1975 still und leise auslief. Niedrige Verkaufszahlen lagen natürlich auch am fehlenden Variant. Ein bereits fertiger K70 Kombi blieb zugunsten der familienfreundlichen Variante des VW 411/412 in der Asservatenkammer. Aber die kommerzielle Niederlage für den K70, der sich am Ende seine unausgelasteten Fließbänder mit dem 412 teilen musste, hätte kaum größer sein können.

Allerdings: In gewisser Weise vollbrachte der K70 tatsächlich Wunder. Schließlich wären ohne dieses scharf geschnittene Raumwunder alle modernen Frontantriebs-VW wie Passat, Polo und Golf (alle bis heute im VW-Programm) vermutlich anders und später gestartet.

Fotos: Audi, Audi Archiv, Volkswagen

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