Dakar 2020: Die Abtast-Phase der Favoriten

Tag drei der Rallye Dakar 2020 bot einen Rundkurs um die neue und gleichsam synthetische Wüstenstadt Neom, das Biwak blieb über Nacht. So langsam bequemen sich einige unter den Favoriten aus ihrer taktischen Deckung heraus, versuchen den Gegner zu irritieren, was mit einem mangelhaften Roadbook kein Kunststück war: Da wurden etliche Kilometer überflüssigerweise „in den Sand gesetzt“.

Stéphane Peterhansel, der in den ersten Tagen etwas Zeit hatte liegen lassen, entschied durch eine fehlerfreie Fahrt mit dem MINI Buggy diese Etappe für sich und nahm dabei Nasser Al-Attiyah auf dem Gazoo-Toyota zwei Minuten ab. In Schlag-Distanz ist schon Carlos Sainz, der auch konditionell bestens mithalten kann und mit dem X-raid-Buggy sehr zufrieden ist. Privatier Yazeed Al-Rajhi auf dem Overdrive-Hilux lässt aber nicht locker, nistet sich auf Platz vier ein, knapp vor dem Franzosen Mathieu Serradori auf dem Century CR6-Buggy des SRT-Teams. Erst auf Rang 6 dann Giniel de Villiers auf dem zweiten Gazoo-Hilux. Al-Attiyah wünschte sich da schon etwas mehr Hilfestellung und Absicherung.

Yasir Seaidan hat sich in kurzer Zeit gut an den Allrad-MINI gewöhnt, nachdem er ja kurz vor der Dakar den dritten geplanten MINI Buggy kaltverformt hatte. Der nördlichste Punkt der Rallye ist erreicht, die ägyptische Grenze ist nicht sehr weit. Es fällt auf, dass etliche ehemalige Auto-Rallyefahrer umgestiegen sind auf „Side-by-Side“-Fahrzeuge, die ohne Frontscheibe, aber mit kleinem Überrollkäfig und fast durchweg mit bis zu 177-PS-starken Ein-Liter-Motoren (aus den Quads) schnell und spektakulär mit jeweils zwei Personen unterwegs sind: Aron Domzala, Cyril Despres, Reinaldo Varela, Conrad Rautenbach und andere mehr.

Der vierte Tag führte von Neom nach Nordosten. Ein präziser Mix aus kontrollierter Geschwindigkeit und Besonnenheit stand an, da die Landschaftsstruktur sehr uneinheitlich war: Tiefsand, schnelle Schotterpisten, Sand mit Felsbrocken gespickt. Nächstes Problem: Die Roadbooks wiesen eklatante Fehler auf, sodass sich fast alle irgendwo verfuhren. Das muss sich der Renndirektor der ASO ans Revers stecken. Das Bild des Vortags schien sich zu wiederholen: Vorne bliesen Sainz (57 Jahre jung „El Matador“), Al-Attiyah und Peterhansel zur kontrollierten Attacke. Was zum Tagessieg für den Spanier führte, dicht gefolgt vom Qatari Al-Attiyah und Peterhansel. Eine Situation, die Nasser Al-Attiyah überhaupt nicht mag: Im hautengen „Sandwich“ zwischen den beiden flinken MINI Buggys und ohne sichtbare Hilfe aus dem eigenen Toyota-Team. Vermeintlich prominentester Ausfall heute: Nani Roma auf dem bislang zuverlässigen Borgward. Teamkollege Ricardo Porem half noch, verlor endlos Zeit und rutschte weit, weit nach hinten. Es kam schließlich anders: Im Rennen ist Roma dennoch weiterhin.

Khalid Al-Qassimi auf dem bis dahin sehr schnellen Peugeot 3008 DKR flog mächtig ab und kaltverformte das edle, aber etwas betagte Renngerät, während Teamkollege Pierre Lachaume noch fleißig mit von der Partie ist. Erneut für Aufsehen und Unruhe sorgte Mathieu Serradori auf dem „Century CR6“-Buggy des SRT-Teams, der genüsslich die finanziell gesegneten Werksteams von X-raid-MINI und Toyota Gazoo vor sich hertreibt. Wenn das Arbeitsgerät hält und sich Serradori nicht zu Waghalsigkeiten hinreißen lässt (was in der Vergangenheit bereits vorkam), kann das noch ein erbitterter Kampf um die Podiumsplätze werden. Auf Platz 4 liegt schon Al Rajhi (Overdrive-Hilux), nur drei Sekunden dahinter schon Orlando Terranova, der auch noch Richtung Podium schaut. Die erweiterte Spitze mit de Villiers, Bernhard ten Brinke (beide Stallgefährten von Al-Attiyah), Jakub Przygonski (MINI JCW) und Martin Prokop (Ford F150 DKR Evo) hängt schon etwas arg hinterher.

Erst am Samstag ist Ruhetag, bis dahin kann sich noch einiges ereignen.

Bilder: Toyota, X-raid

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