Buchtipp – Jens Andersen: Astrid Lindgren

„Astrid“: Einfacher kann ein Titel nicht ausfallen. Er bringt die ersten Lebensjahre einer Frau auf die Leinwand, deren Biographie und Werk fast 20 Jahre nach ihrem Tod aktueller zu sein scheinen denn je. Wer nach dem Film oder aus anderen Gründen (wieder) etwas über das Leben von Astrid Lindgren erfahren will, ist mit Jens Andersens Biographie hervorragend beraten.

Den ohnehin hohen Bücherstapeln in den Buchhandlungen wollte sie kein einziges aus eigener Feder hinzufügen, hatte Astrid Lindgren (geboren 1907) schon früh beschlossen, gerade deshalb, weil andere in ihr eben schon früh eine „Schriftstellerin in spe“ sahen. Dass es ganz anders kam, war das Ergebnis einer Verkettung von Umständen, die man rückblickend nur als glücklich bezeichnen kann. Auch wenn am Anfang von Lindgrens Karriere ein gebrochener Fußknöchel stand, der sie zur Bettruhe zwang und ihr die Idee gab, die Langeweile mit dem Aufschreiben einer Geschichte zu überbrücken. So entstand „Pippi Langstrumpf“, deren Name übrigens eine Erfindung von Lindgrens Tochter Karin war.

Der Rest ist bekannt – scheinbar. Jens Andersen beweist das Gegenteil. Er zeigt zahlreiche Facetten der Schriftstellerin auf, die ihr Privatleben zu Lebzeiten konsequent abschirmte. Astrid Lindgren hat lebenslang nicht nur unzählige Briefe bekommen, sie hat auch erstaunlich viele beantwortet und über Jahrzehnte andauernde Kontakte so gepflegt. Eine 16-jährige Schülerin begleitete sie etwa mit Rat und Hilfe über 20 Jahre hinweg. Fast legendär ist ihr Eintreten gegen eine geplante Steuerreform in Schweden 1976. Doch auch hier war vieles wohl noch nicht bekannt – etwa, dass Lindgren, lange Zeit überzeugte Sozialdemokratin, nicht nur der eigenen Partei entgegentrat, sondern von Schriftstellerkollegen deutliche und von Journalisten regelrecht diffamierende Kritik erhielt. Und wer hier nachliest, wie das Leben der Familie Lindgren im 2. Weltkrieg war und welche Sorgen damit verbunden, der wundert sich nicht mehr, warum eine besonders lächerliche Figur in „Pippi Langstrumpf“ der „schdarke Adolf“ hieß.

Astrid Lindgren pflegte nicht nur zahlreiche Freundschaften, auch über weite räumliche Entfernungen hinweg, sie reiste auch viel – naturgemäß beruflich, gerne aber auch privat. Bei einem solchen Erfahrungsschatz wundert es nicht, dass Menschen immer wieder ihren Rat suchten. Nur ein Talent war ihr nicht gegeben, was sie selbst mit viel Humor nahm: Einen Führerschein hat Astrid Lindgren nie besessen und das entsprechende Vorhaben nach wenigen Stunden abgebrochen. Per Fahrrad war sie in der näheren Umgebung allerdings unterwegs, solange ihr Körper das zuließ.

Am Tag ihres Todes im Januar 2002 pilgerten Menschen regelrecht zu ihrer Wohnung. Allein ihr Schrifttum kann diese Beliebtheit nicht erklären – ihre Persönlichkeit kann das sehr wohl. Peter Andersens Biographie macht das sehr deutlich. Viele Passagen sind so spannend geraten, dass sie einem Krimi in nichts nachstehen. Dabei bewahrt er stets Takt und Respekt.

Jens Andersen: Astrid Lindgren – ihr Leben. Pantheon Verlag; 18 Euro.

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