VLN: Warum sie für den „Ring“ so wichtig ist

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Es ist eine faszinierende Atmosphäre, die ein halbes Jahr lang andauert: Acht Rennen über vier Stunden, eines über sechs Stunden. Im Schnitt zwischen 20.000 und 22.000 Zuschauer an der wohl schönsten und schwierigsten Rennstrecke der Welt, der Nordschleife des Nürburgrings. Dazu pro Rennen zwischen 150 und 180 Fahrzeuge, auf denen meist drei verschiedene Piloten sitzen, die sich das Zeittraining und die Renndistanz teilen.

Rennboliden, die das ganze Spektrum des Langstreckensports auf der Rundstrecke abdecken: Vom „frisierten“ Renault Clio in der kleinsten Hubraumklasse bis hinauf zum GT3-Boliden mit Werksfahrern von Porsche, BMW, Audi, Mercedes AMG oder Aston Martin. Keine andere Motorsportserie wie die VLN-Langstreckenmeisterschaft auf dem „Ring“ fordert Mensch und Maschine über eine gesamte Saison hinweg so unterschiedlich und unter allen möglichen Witterungsbedingungen wie diese „Formel 1 des kleinen Mannes“.

„Man muss immer für die Anderen mitdenken. Beim Ansetzen zum Überholen genauso wie beim permanenten in den Rückspiegel schauen“, sagt Phillip Leisen aus dem kleinen Eifelort Irrel an der Sauer, dem deutschen Grenzflüsschen zu Luxemburg. Der 34jährige Diplom-Betriebswirt ist das Paradebeispiel dafür, wie das Reglement der Serie die Amateure und semi-professionellen Motorsportler bevorteilt und ihnen die einzige Chance einräumt, in der Endabrechnung vor den 500-PS-Monstern wie Porsche 911 GT3 RS, Audi R8 LMS, Mercedes AMG GT3, Ferrari 458 in der Klasse SP9 zu liegen.

Leisen ist in dieser Saison am vergangenen Wochenende mit einem BMW 325i E90, einem deutlich schwächer motorisierten Modell, gemeinsam mit seinen beiden Teamkameraden Danny Brink und Christopher Rink zum ersten Mal Sieger in der Endabrechnung geworden. Den Tagessieg machen immer die „Schwergewichte“, die GT3-Renner, unter sich aus. Doch in der Endabrechnung über die ganze Saison hinweg haben sie keine Chance, weil das Reglement der Meisterschaft gegen sie spricht.

„Wir haben uns das zu eigen gemacht, was die Serie an Möglichkeiten für die Halbamateure bietet“, sagt Leisen, der zu Hause mit seinem Vater und einem Angestellten einen Elektro-Fachhandel betreibt. „Wir sind in der Klasse V4 gefahren, in der die meisten Konkurrenten antreten. Wenn Du dort konstant punktest, Dir keinen Ausrutscher erlaubst, dann sammelst Du die meisten Zähler, weil diese Klasse am stärksten besetzt ist. Und je mehr Autos in einer Klasse gegeneinander antreten, umso stärker wird das für den Klassensieger in der Gesamtwertung honoriert.“

Leisen und sein Team Pixum Adrenalin Motorsport haben in dieser Saison am zuverlässigsten auf der Rennstrecke und in der Box gearbeitet. „Wir haben den Titel als Mannschaft geholt“, sagt Leisen. Und dazu gehörten nun einmal nicht nur die Piloten, die das Qualifying und die Rennen bestreiten. „Manchmal ist es wichtig, auf der Strecke die Übersicht zu behalten und in Sekunden-Bruchteilen die richtige Entscheidung zu treffen. Das gilt vor allem für unseren BMW. Credo ist, so zu fahren, dass Du möglichst wenig Schub verlierst bei allen Manövern. Man muss mit der ganzen Erfahrung der vielen Nordschleifen-Runden auch vorausschauend fahren können. Das Bremspedal bis zum Bodenblech durch zu drücken ist nicht immer die beste Entscheidung. Und genau so wichtig ist es aber auch, dass Boxenstopps und Fahrerwechsel möglichst perfekt passen.“

Die VLN-Langstreckenmeisterschaft, die seit 1977 lange Jahre unter dem Namen Veedol Langstreckenmeisterschaft ausgetragen wurde, ist das Zugpferd schlechthin an der Nordschleife. Von ihr profitiert der Streckenbetreiber, die Capricorn Nürburgring GmbH, mehr als von jedem Formel-1-Rennen, das nur mediale Aufmerksamkeit, aber auch finanzielle Verluste garantiert.

In der Regel kommen die Hardcore-Fans der „Grünen Hölle“ schon donnerstags abends mit Wohnmobilen an die Camping- und Parkplätze zwischen Hatzenbach und Galgenkopf. Viele haben sich einen freien Tag genommen, um ein Motorsport-Wochenende in der Eifel zu verbringen. Ähnlich wie beim 24h-Rennen herrscht dann bei jedem Renn-Wochenende eine ganz besondere Atmosphäre, eine virtuelle Verbindung zwischen Fans und Fahrern.

Die Serie ist so nahe an den Zuschauern dran wie keine zweite. Wenn die Motoren ruhen, also zwischen Qualifying und Startaufstellung, können die Besucher durch die Boxengasse schlendern, den Monteuren beim Schrauben zusehen oder auch mit den Piloten sprechen. „Wir haben da keinerlei Berührungsängste“, sagt Leisen. „Auch untereinander herrscht bei allem Konkurrent-Denken in der Regel eine kameradschaftliche Atmosphäre. Auch wenn es immer wieder den einen oder anderen Wirrkopf auf der Strecke gibt, der sich besser ein anderes Hobby ausgesucht hätte.“

Die „VLN“ wird auch im kommenden Jahr ihren Reiz nicht verlieren: Die Termine stehen bereits fest: Los geht es am 23. März 2019 mit dem ersten Vierstunden-Rennen. Der letzte Lauf wird am 26. Oktober ausgetragen. Höhepunkt ist das 6h-Rennen am 3. August. Die Serie punktet mit ihren moderaten Familien-Preisen. Das Ticket für den Zugang zu den geöffneten Tribünen, zum Fahrerlager und zur Startaufstellung kostet ab 15 Euro. Die Parkplätze rund um die Nordschleife sind ausgewiesen.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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