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Er war der Überraschungsstar des Pariser Automobilsalons 1978: Ein BMW-Sportwagen mit kompaktem 24-Ventil-Sechszylinder-Mittelmotor zum astronomischen Preis eines Ferrari mit monumentaler V12-Maschine. Tatsächlich war der BMW M1 (Code E26) von manchen Medien bereits als ewiger Prototyp betrachtet worden, so unglücklich verlief die Vorgeschichte dieses gemeinsam mit Lamborghini entwickelten Homologationsmodells für eine neue Rennserie. In Paris aber begeisterte die keilförmige Flunder (mit 1,10 bis 1,14 Meter sogar flacher als Ferrari 512 BB oder Maserati Bora) dann Publikum ebenso wie Presse. Die Schlagzeilen überschlugen sich mit Superlativen für den M1: Bewertungen wie „Das Superding!“, „Ein Geschoss“ oder „Erster Rennwagen für die Straße“ ließen schließlich auch die BMW-Werber ihr gewohntes bayerisches Understatement vergessen: „Erstklassige Automobile zu bauen, ist eine Wissenschaft. Einzigartige eine Kunst. Jetzt gibt es ein Automobil, das beides ist: Der neue BMW M1“.

Einzigartig war der M1 wirklich, baute doch BMW weder zuvor noch danach jemals wieder ein so brutal schnelles Motorsportmodell – das aber für die designierte Rennserie zu spät kam. Die Motorsportfans hinter dem M1, Jochen Neerpasch, Bernie Ecclestone und Max Mosley, focht das jedoch nicht an, sie hoben für den M1 eine eigene Serie aus der Taufe – die ProCar für Formel-1-Piloten. Für die limitierte Straßenversion des 100.000 Mark teuren BMW M1 gab es nun sogar Wartelisten.

Schöner, schneller und leichter: Die Geschosse der norditalienischen Sportwagenschmieden versetzten die Vmax-Szene der 1960er und -70er Jahre in einen Rausch der Geschwindigkeit, der sich kaum mit tempostarken Coupés anderer Herkunftsländer befriedigen ließ. Außer Jaguar E-Type, Porsche 911 oder Corvette gab es fast keine Herausforderer für Maranello oder Modena. Ändern sollte sich dies erst 1972, dem Jahr der Olympischen Spiele von München. Bei BMW forderte der neue Marketingvorstand Robert A. Lutz damals sportliche Höchstleistungen ein. Während die aufregende Studie BMW Turbo den Ruf nach einer Serienfertigung dieses Flügeltürensportwagens laut werden ließ, kündeten an den Rennstrecken bald schon die Farben blau-violett-rot von der BMW Motorsport GmbH als neuer Macht aus München. Geleitet wurde die Rennabteilung von Jochen Neerpasch, der zuvor die Ford RS zur bestimmenden Größe auf Rallyepisten und Rundstrecken gemacht hatte. Nun gelang es Neerpasch mit der Abteilung Motorsport Rennfahrerlegenden geradezu magnetisch anzuziehen. Piloten wie Chris Amon, Hans-Joachim Stuck oder Björn Waldegaard gaben der PS-Schmiede ein Gesicht und trieben die BMW 2002 und das Leichtbaucoupé 3.0 CSL schon in der ersten Saison von Sieg zu Sieg. Für die Überholspur im Alltagsverkehr rüstete die Motorsport GmbH ab 1974 den 5er auf zum 530i, 533i und 535i. Bis 1980 entstanden so knapp 900 Limousinen mit Werkstuning.

Weltweit bekannt wurde der Buchstabe M aber erst durch einen Supersportwagen, der Porsche-Fahrern ebenso die Pole Position streitig machte wie den Leistungsträgern von Lamborghini, De Tomaso oder Ferrari. Für dieses Vorhaben verbündete sich die BMW Motorsport GmbH 1975 mit dem Gegner, verfügten die Italiener doch über konkurrenzlos große Erfahrung in der Entwicklung straßentauglicher Renner. Hinzu kam, dass die Münchner eigentlich schon mit der Schärfung von 02er, 5er und bald auch 3er vollauf ausgelastet waren. Für den späteren BMW M1 sollte Lamborghini deshalb die Prototypen realisieren und später 2.500 Karosserien und Bodengruppen produzieren. Dagegen entwickelte BMW einen geeigneten Achtzylinder, parallel zur Konstruktion eines entsprechenden BMW-Formel-1-Aggregats. Anfang 1976 kam es zum Vertragsschluss zwischen München und Sant’Agata Bolognese (wenn auch nur noch über 2.000 Fahrzeuge) und es sah nach einer Win-Win-Situation für die Partner aus.

BMW sollte sein zweisitziges Boden-Boden-Geschoss bekommen und Lamborghini dringend nötige Finanzmittel, denn die wirtschaftliche Situation für fast alle Supersportwagenbauer hatte sich mit der Ölkrise von 1973/74 dramatisch verschlechtert. Zunächst läuft alles nach Plan beim Projekt M1 (E26): Giorgetto Giugiaro entwickelt das Design und liefert nach wenigen Monaten erste Entwürfe, die das Konzept der Studie BMW Turbo von 1972 neu interpretieren, so entfallen jetzt die Flügeltüren. Dann aber beendet BMW aus Kostengründen die Entwicklung des Formel-1-Motors und kündigt gleichzeitig den Vertrag mit Lamborghini. Das jedoch nur, um schon im Oktober ein neues Abkommen zu erzielen, nach dem nur noch 800 M1 benötigt wurden, für die BMW einen 204 kW/277 PS starken Reihen-Sechszylinder mit Vierventiltechnik entwickelte. In der Motorsportversion sollten es satte 346 kW/470 PS werden, in jedem Fall genügend Power, um alle Rivalen ins Schwitzen zu bringen.

Noch vor Serienanlauf geriet Lamborghini allerdings in finanzielle Schieflage. Nun wurde improvisiert. Italienische Zulieferer bauten Gitterrohrahmen und Kunststoffkarosserie für den M1, Giugiaros Unternehmen Italdesign übernahm die Montage und lieferte alles nach Stuttgart zum Karossier Baur, der wiederum die von BMW gelieferte Mechanik einbaute. Diese zeitliche Verzögerung führte dazu, dass die Homologationsserie zu spät kam für den ursprünglich geplanten Motorsporteinsatz des M1. Dennoch triumphierte der M1 schon im ersten direkten Duell München gegen Maranello. Für den schnellsten deutschen Sportwagen (262 km/h bzw. als Motorsportversion 310 km/h) gingen schon auf dem Messestand in Paris so viele Bestellungen ein, dass Lieferzeiten anfielen. Was auch an der Alltagstauglichkeit des Boliden lag, der Stauraum fürs Reisegepäck ebenso bereithielt, wie den kultivierten und vergleichsweise sparsamen Sechszylinder. Zur Weltneuheit machte ihn der Zylinderkopf mit zwei Nockenwellen, die insgesamt 24 Ventile betätigen.

Gleich zwei BMW-Logos auf der Rückseite machten allen Überholten klar: Dieser Klappscheinwerferkeil kommt aus Bayern. Während solches Protzen im Markenpokal der Procar- Serie überflüssig war, konnte der Hinweis bei Le-Mans-Einsätzen und schnellen Runden auf Landstraßen durchaus hilfreich sein. Denn noch war BMW neu in der Supercar-Liga. Gleichzeitig legte der M1 mit einer Tempo-100-Sprintzeit von 4,5 Sekunden damals die Messlatte höher und bei der Fahrt ums Eck stand ein g (g = Erdbeschleunigung) für den besten Querbeschleunigungswert. Einzigartig blieb ein 1979 gebauter M1, den Pop-Art-Künstler Andy Warhol zum Kunstwerk gestaltete.

Insgesamt wurden in zwei Jahren 453 Autos produziert (darunter etwa 400 Straßenversionen), die fast alle in Sammlergaragen verschwanden und inzwischen kostspielig wie mancher V12-Italiener sind. Unter einer halben Million Euro für ein gut erhaltenes Exemplar geht kaum etwas und erste BMW M1 im siebenstelligen Bereich sind bereits gesichtet worden. Exklusivität hat offenbar ihren Preis, denn einen Nachfolger für den M1 hat BMW nie in Serie gehen lassen.

Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: BMW

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