Automarken: Nicht jeder „Tod“ ist ewig

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Wenn man sich von Zeit zu Zeit auf den Automarkt umschaut, möchte man meinen, alles sei irgendwie beim Alten geblieben. Mercedes, Volkswagen, Peugeot, Toyota – die ewig gleichen Player dominieren das Straßenbild. Doch die Szene ist alles andere als stabil, denn allein in den vergangenen gut 30 Jahren sind immer wieder neue Autohersteller in Deutschland aufgetaucht und viele auch wieder sang- und klanglos verschwunden. Eine Bestandsaufnahme voller Zuversicht und Niederlagen.

Zu den schillerndsten Verlierern der jüngeren Vergangenheit gehören Sportwagenmarken, wie etwa die deutschen Hersteller Wiesmann und Artega. In beiden Fällen wurden faszinierende Autos in kleinen Stückzahlen gebaut, die für großes Aufsehen sorgten. Der 2009 eingeführte Artega GT musste sich allerdings auch einiges an Kritik von Autotestern gefallen lassen, und das in einer Zeit, als die Finanz-Krise in Deutschland ihrem Höhepunkt entgegensteuerte. Die in Delbrück beheimatete Artega GmbH strauchelte einige Jahre, bis dann 2012 endgültig Insolvenz angemeldet wurde. Gänzlich abgewickelt wurde die Marke noch nicht, denn mit der Präsentation neuer Autos auf Messen wurde ein Neustart mehrfach angedeutet, der allerdings weiterhin auf sich warten lässt. Ebenfalls einen Neustart angekündigt hat die Marke Wiesmann, die 2014 die Produktion nach einigen krisenhaften Jahren endgültig beendete. Investoren aus Großbritannien haben anschließend das Ruder übernommen und wollen ab nächstem Jahr die gut 30-jährige Tradition cooler Sportwagen aus Dülmen in moderner Form fortsetzen.

Schon einige Jahre länger wartet TVR auf ein Comeback. Ein russischer Investor manövrierte die fast 60 Jahre alte Marke aus Blackpool nach längerer Zeit des Strauchelns 2006 endgültig ins Abseits. 2013 übernahmen britische Investoren, die mittlerweile ein neues Auto vorgestellt haben, das Ende 2018 auf den Markt kommen soll. Eine andere englische Traditionsmarke ist MG, die im Zuge der Rover-Pleite im Jahr 2005 vom deutschen Markt abtreten musste und seither nicht wiederkehrte. Hier sind 2006 chinesische Investoren eingestiegen, die ihre Autos aus chinesischer Produktion zur Endmontage ins Traditionswerk nach England schicken, um sie dort auch als MG-Modelle zu verkaufen. Mit den traditionellen Werten der Marke haben die Neu-MGs allerdings nichts mehr gemeinsam. Ob MG als Marke nach Deutschland zurückkehrt, bleibt abzuwarten. Fast ausgeschlossen scheint eine Rückkehr für Triumph. Nur zwei Jahre vor ihrem 100-jährigen Geburtstag, nämlich 1984, ging der bei Oldtimer-Freunden unvermindert gefragte Hersteller im Sumpf der British Leyland Motor Corporation (BLMC) einfach unter. Seit 1994 besitzt BMW die Markenrechte, ohne allerdings Ambitionen zu zeigen, mit diesen etwa ein Comeback zu planen.

Ziemlich sicher nicht mehr zurückkommen wird die vom Automobilwerk Eisenach AWE produzierte DDR-Marke Wartburg. Bereits kurz nach der deutschen Wiedervereinigung, nämlich im April 1991, wurde die traditionsreiche Produktion in Eisenach unter der Regie der Treuhandanstalt abgewickelt. Nur wenige Wochen nach dem Ende des Wartburgs folgte der Produktionsstopp des Trabant in Zwickau. Auch hier ist mit einer Wiederbelebung kaum mehr zu rechnen, obwohl 2009 die Tabant nT GmbH einen Neuzeit-Trabi mit E-Antrieb ins Spiel brachte. Doch bislang blieb es bei einem Prototypen, da weiterhin Investoren auf sich warten lassen.

Groß ist die Ahnengalerie asiatischer Autohersteller, die gekommen waren, um mehr oder weniger schnell wieder zu verschwinden. Erschreckend erfolglos geblieben sind die ersten Versuche chinesischer Hersteller, in Deutschland Fuß zu fassen. Traurige Berühmtheit erlangte der X5-Klon Shuaghuan CEO, der zusammen mit einigen anderen Modellen vom Importeuer China Automobile ab 2007 für kurze Zeit angeboten wurde. Nach dem BMW einen Verkaufsstopp wegen Designklau gerichtlich erwirkte, meldete der Importeur 2009 Insolvenz an. Ebenfalls eine nur kurze Stippvisite aus dem Copyshop war der Marke Landwind vergönnt, nachdem ein katastrophaler Crashtest im Jahr 2005 die Fahrzeuge nahezu unverkäuflich machte.

Eigenständige Optik, respektable Qualität – Brilliance hätte man eigentlich längeren Atem zugetraut. Doch auch hier schreckte ein dürftiges aber keineswegs katastrophales Crashtest-Ergebnis deutsche Kunden ab. 2009 war nach gut zwei Jahren das Deutschland-Abenteuer schon wieder vorbei. In etwa zu dieser Zeit plante auch der indische Autobauer Tata, in Deutschland Fuß fassen. Doch die Händler-Resonanz war derart schlecht, dass ein echter Marktstart ausblieb. Immerhin sechs Jahre – von 1995 bis 2001 – versuchte der malaysische Konzern Proton in Deutschland seine Autos hierzulande zu verkaufen. Nur rund 2.000 seiner Mitsubishi-Lizenznachbauten konnte Proton in dieser Zeit absetzen. Zu wenig, um zu überleben, weshalb das Europa-Abenteuer wieder beendet wurde.

Deutlich erfolgreicher war hingegen der japanische Hersteller Daihatsu, der bereits 1977 erste Fahrzeuge nach Deutschland importierte. 1998 wurde Daihatsu Teil von Toyota und fortan in Deutschland zu einer Art Kleinwagenmarke des Riesenkonzerns degradiert, die sich über lange Jahre als Nischenanbieter durchschlagen musste. 2011 entschied sich Toyota für den Rückzug der Importmarke aus Europa, dem Anfang 2013 die endgültige Schließung der Deutschlandzentrale folgte. Ebenfalls zum Spielball eines Großkonzerns wurde der koreanische Hersteller Daewoo. Mitte der 90er-Jahre nahm man viel Geld in die Hand, um sich in Europa einen Namen zu machen. Nach finanziellen Problemen folgte Ende der 90er-Jahre die Übernahme durch General Motors. Ab 2005 wurden die Autos der Marke in Chevrolets umbenannt und der mit vielen Werbemillionen eingeführte Markenname Daewoo auf Eis gelegt.

Apropos Chevrolet: Die große Traditionsmarke von General Motors wurde fortan in Deutschland etabliert. Doch auch dieses Engagement war nur von kurzer Dauer, denn 2015 hat der Mutterkonzern in Detroit den Vertrieb der meisten Chevy-Modelle offiziell eingestellt. Lediglich Camaro und Corvette werden weiterhin hierzulande angeboten. GM steht für weitere Pleiten als Folge der Leman-Krise. Mit in den Abgrund gerissen haben die Amerikaner unter anderem den schwedischen Hersteller Saab. 2009 wurden Marke und Fabrik sowie die Rechte am neuen 9-5 zwar an Spyker verkauft. Doch kurz nach der Einführung des neuen 9-5 gingen Ende 2011 in Trollhättan die Lichter aus. Der Auflösung 2012 folgte der Verkauf an chinesische Investoren, die mittlerweile den alten 9-3 in China bauen. Ein ähnliches Schicksal ereilte die Marke Hummer. Der Hersteller klobiger SUVs expandierte 2004 auch noch Europa. Als Folge der Finanz-Krise wollte GM den Nischenanbieter allerdings 2009 an Chinesen verkaufen. Doch der Spezialmaschinenhersteller Sichuan Tengzhong Heavy Industrial Machinery fehlten die Genehmigungen vom chinesischen Staat. 2010 zu GM die Reißleine und wickelte Hummer ab.

Ein anderer US-Konzern, nämlich Chrysler, begann ebenfalls in den Nullerjahren in Deutschland, neue Marken offiziell zu vertreiben. Neben der bereits etablierten Marke Jeep gesellten sich unter der Regie des Daimler-Konzerns außerdem noch Chrysler und Dodge hinzu. Doch mit der Übernahme des Fiat-Konzerns wurde auch die Europa-Strategie überdacht. 2011 kam es zu einer Art Ausschleichen von Dodge und Chrysler in Europa. Autos beider Marken wurden zwar weiter in Europa verkauft, allerdings unter den Labels Fiat und Lancia. So lief das Crossover-Modell Dodge Journey fortan als Fiat Freemont, während der Chrysler 300C als Lancia Thema die Werte der einstigen italienischen Kultmarke mehr schlecht als recht transportierte. Die „New Lancia“-Strategie vom mittlerweile verstorbenen Konzernlenker Sergio Marchionne ging nicht auf. Auch hier kam es zu einer Art Ausschleichen von Lancia in Europa über mehrere Jahre. Die letzten Händlerverträge wurden 2017 gekündigt. Allein in Italien wird noch der Kleinwagen Y vertrieben. Endet sein Modellzyklus, ist auch die über 100-jährige Tradition von Lancia Geschichte.

Damit geht Lancia den Weg, den auch viele andere zum Teil traditionsreiche Hersteller bereits in den 70er- und 80er-Jahren gehen mussten. Ob DAF aus Holland, NSU, die französischen Hersteller Matra, Simca und Talbot oder Autobianchi und Bertone aus Italien – in allen Fällen haben unausgegorene Strategien großer Konzerne diese einst bekannten Namen ins Abseits geführt, aus dem eine Wiederauferstehung zumeist unmöglich wurde. Beispiele wie Abarth oder Alpine zeigen allerdings auch: Der Tod muss nicht für ewig sein.

Text: Mario Hommen/SP-X
Fotos: Hersteller

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