Herbert und die „Tour de France“: Mitte 70 und Medienstar

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In mehr als zwei Jahrzehnten Berichterstattung vom größten Sportereignis unter freiem Himmel nach Olympischen Spielen und Fußball-Weltmeisterschaft, der Tour de France, trifft man jede Menge interessanter und außergewöhnlicher Leute. Nicht nur die Radprofis und ihre Begleiter, Teamchefs, Rennstall-Sponsoren oder wen auch immer: Es sind vor allem die unerwarteten, unverhofften Begegnungen am Rande dieses gigantischen Spektakels, die den Reiz einer solchen (Tor-)Tour ausmachen.

So erging es mir, als ich 1999 beim Aufstieg in unserem Ford Mondeo hinauf nach L’Alpe d’Huez einen Mann kennen lernte, der dort mit seinem roten VW Caddy an einer der vielen Kurven inmitten von Zehntausenden von Fans auf die Tour wartete. Durch sein Kennzeichen war ich auf ihn, beziehungsweise sein Fahrzeug, aufmerksam geworden.

Herbert Weber, so hieß er, sollte ich später erfahren, kam von der Mosel. Also ganz aus der Nähe meiner Heimat im westlichen Rheinland-Pfalz. Wir lernten uns kennen an diesem Tag, merkten bald, dass wir auf einer Wellenlänge lagen und von da an ergab sich eine lose freundschaftliche Verbindung, die alle Jahre wieder Ende Juni/Anfang Juli wieder in Kontakten neu entfacht wird: „Was machst Du Dieses Jahr? Wohin geht es? Wann bist Du wo an welchem Berg?“ Oft treffen wir uns auch im Vorfeld der Tour schon zu Hause bei ihm im kleinen Mosel-Weinort Erden.

„Natürlich bin ich dieses Jahr auch wieder dabei“, hatte Herbert mir auch vor wenigen Wochen gesagt, bevor er mit seinem weißen Wohnmobil, auf dessen Seitenwänden die berühmten 21 Kurven hinauf nach L’Alpe d’Huez abgebildet sind, in Richtung Frankreich aufbrach. Zum 20. Mal insgesamt. Ein Jahr später als ich, nach dem Triumph von Jan Ullrich 1997, war Herbert Weber, zu Hause Vorsitzender des Radsportvereins Erden, zum ersten Mal dabei. Damals noch sehr spartanisch mit einem roten VW Caddy. Heute ist er großzügiger ausgestattet, nimmt sogar sein eigenes Rennrad mit, um unterwegs auf den Alpen-Etappen selbst die Strecken abzufahren.

Herbert ist in der Zwischenzeit zu einem kleinen Medienstar geworden, wenn die großen Fernsehanstalten von der Tour berichten. Nicht nur, weil er immer dabei ist, sondern schlicht als Mann ein Phänomen. In ein paar Tagen wird er 74 Jahre alt und fährt immer noch regelmäßig auf seinem Rennrad in den Bergen von Eifel oder Hunsrück. „Früher waren es mehr. Heute sind es pro Jahr höchstens noch 5000 oder 6000 Kilometer“, sagt der drahtige alte Herr in gar nicht falscher Bescheidenheit.

Die Berichterstatter vor Ort kennen mittlerweile das auffallende Fahrzeug mit dem abgebildeten Streckenprofil auf den Seitenwänden, das unter Tausenden von Wohnmobilen auffällt. Herbert ist inzwischen zu einer Art „festem Inventar“ geworden, wenn Fans und Leute rund um die Tour vorgestellt werden. „Heute war ein schöner, aber auch sehr anstrengender Tag“, meldete er sich am Tag der „Königsetappe“ hinauf nach L’Alpe d’Huez noch abends um 23 Uhr bei mir in meinem kleinen Hotel in Albertville und schickte ein paar Bilder. Interviews für das dänische Fernsehen, für Eurosport und die ARD zur besten Primetime im Fernsehen habe er gegeben. Immer im Bild: Sein großes Banner mit dem Namen seiner Heimatgemeinde Erden.

Am Freitag vergangener Woche baute Herbert sein Wohnmobil ab um nach Hause zu fahren. Rund dreieinhalb Tausend Kilometer hat er in knapp zwei Wochen gefahren und sich zum Abschluss ein ganz besonderes Ereignis auf einem einsamen Pyrenäen-Gipfel gegönnt: „Heute Abend sehe ich mir noch die Mondfinsternis an. Das wird hier in der Einsamkeit der Pyrenäen sicher ein tolles Erlebnis werden.“

So, wie Herbert Weber es angeht, hat auch das Alter seine ganz besonderen Reize.

Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Braun, privat

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