Buchtipp – Hartwig: Wer war Ingeborg Bachmann?

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Wenn es um Gedichte geht, hält sich mitunter hartnäckig ein bestimmtes Bild über jene, die sie schreiben: Leben in einer ganz eigenen Welt, sind aber nur bedingt robust genug für den Alltag.

Denkt man an Emily Dickinson oder Friedrich Hölderlin etwa, trifft dieses Bild die Wirklichkeit. Oft genug ist es aber auch ganz, ganz anders. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist Ingeborg Bachmann.

Frl. Dr. Bachmann, wie die 1926 geborene Dichterin hier einmal genannt wird, hat aktiv am politischen Leben teilgenommen. Sie hat sich u.a. aktiv gegen die Wiederbewaffnung der noch jungen Bundesrepublik eingesetzt, zum Vietnamkrieg Stellung bezogen und Willy Brandt im Wahlkampf 1965 unterstützt. Damit galt sie schon früh als politisch links stehende Schriftstellerin, in einer Zeit, als solch eine Verortung noch wesentlich schärfer gemeint war als heute, da Große Koalitionen fast üblicher sind als gegensätzliche Positionen. Das hieß auch, sich Anfeindungen auszusetzen und persönlich ganz bewusst mit Ablehnung durch andere zu leben. Zumal sie sich auch privat dagegen wehrte, dem Bild einer für damalige Verhältnisse unauffälligen (sprich: verheirateten, monogamen und auch sonst untergeordneten) Frau zu entsprechen.

Ingeborg Bachmann ist 1973 mit nur 47 Jahren gestorben. Dramatisch waren die Umstände ihres Todes, rätselhaft auch. 45 Jahre später ist der Ingeborg-Bachmann-Preis, verliehen in ihrer Geburtsstadt Klagenfurt, längst etabliert, werden nicht nur ihre Gedichte gerühmt, sondern auch ihre Romane, und selbst ihre Hörspiele – eine damals wesentlich wichtigere Gattung als heute – sind keineswegs vergessen.

Und doch ist die Person Ingeborg Bachmann immer noch ein – faszinierendes! – Rätsel. Ina Hartwig nähert sich diesem Rätsel mit einer Biographie in Bruchstücken, wie das Buch im Untertitel heißt. Keine chronologische Darstellung, sondern ein sehr heterogen angelegtes Bild. Das macht das Buch besonders spannend. Und: Es verrät mindestens soviel über die Zeit, in der Ingeborg Bachmann lebte, wie über die Person. Und macht deutlich, wie sehr sich eine Gesellschaft in rund 60 Jahren verändern kann – entgegen aller Eindrücke von Unbeweglichkeit, die gerade in diesen Tagen immer wieder beklagt wird.

Ina Hartwig: Wer war Ingeborg Bachmann? Eine Biographie in Bruchstücken. S. Fischer Verlag; 22 Euro.

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