Extravagant wäre (zumindest leicht) untertrieben: Das, was sich Toyota da mit seinem neuen SUV namens C-HR an avantgardistischer Hingabe bei der Formgebung ausgedacht hat, wurde als durchaus waghalsiges Experiment realisiert. Aber die Japaner haben sich nun wohl Hals über Kopf in ein formales Abenteuer gestürzt, um das sie Jahrzehnte lang einen Bogen wie die Katze um den heißen Brei gemacht haben. Wer ein zuverlässiges, aber oft auch dröge und eintönig anmutendes Auto gesucht hatte, der lag beim weltgrößten Autobauer lange Zeit richtig.
Camry, Celica, Corolla, Avensis: Das waren Autos, bei denen man sich nicht „verkaufen“ konnte. Doch die Grönemeyerschen „Flugzeuge im Bauch“ bekamen Interessenten derartiger Fahrzeuge kaum. Warum und wie auch? Autos dieses Schlages kaufte man mit dem Kopf, aber nicht mit dem Bauch.
Doch jetzt auf einmal die Kehrtwendung. Toyota überholt sich beim Sprung ins kalte Wasser des Design-Beckens quasi selbst. Herausgekommen ist dabei (zunächst) der C-HR. Eine Mischung aus SUV, Crossover, Lifestyle-Automobil. Etwas für „den Flow der Stadt“, wie es die Toyota-Werbetexter versprechen. Was immer sie damit auch meinen mögen, es hört sich nach allem an: nur nicht nach dem, was man jahrzehntelang unter einem Toyota verstand. Und vielleicht ist dieses Fahrzeug auch deshalb so extrovertiert. Mit Formen, Kanten, Abrissen, Überhängen, Ausbuchtungen, die alles versprechen: nur keinen Platz zum Ausruhen für die Augen. All das, was der Hersteller über Jahrzehnte versäumt hat, will er nun mit einer neuen Gestaltungsphilosophie aus dem Stand aufholen.
Kann so etwas gut gehen? Ja, wenn die Hülle, sprich das futuristische Design, kein Selbstzweck ist. Und wenn der Kern – sprich die Alltagstauglichkeit eines Automobils – bei allem optischen Aktionismus nicht auf der Strecke geblieben ist. Der Name „Coupé High Rider“ (für den das Kürzel C-HR) steht, klingt genauso avantgardistisch, wie das, was man mit diesem Futuromobil erleben soll: nämlich „den Flow der Stadt“ zu spüren. Was immer Toyota damit auch meinen mag.
Mein C-HR Testwagen ist kein Hybrid, obwohl Toyota davon ausgeht, dass fast drei Viertel aller Käufer sich für die kombinierte Elektro-/Verbrenner-Variante, statt für den reinen Ottomotor entscheiden wird. Das liegt auch an der kalten Schulter der Japaner zum Dieselantrieb. Und so gibt es neben dem 122 PS starken Hybrid eben nur den 116 PS leistenden Einstiegs-Benziner mit gerade mal 1,2 Litern Hubraum.
Der fährt sich nach dem Prinzip: Aus wenig hole man viel raus. Will heißen: Der Vierzylinder hängt von Anfang an gut am Gas. Was – oh Wunder – wohl auch an den nicht eben üppig erscheinenden 185 Newtonmeter Drehmoment liegt. Das gesamte Potenzial steht dank Turbo-Aufladung und präziser Abstimmung zwischen 1.500 und 4.000 Umdrehungen bereit. Zum Fahrerlebnis hinzu kommt das ebenfalls auf dieses Aggregat punktgenaue eingepasste manuelle Sechsgang-Getriebe.
Zur Ausstattungsversion „Flow“ (ab 24.390 Euro) gehört neben den Basisinhalten wie Klimaanlage, Kollisionswarnsystem mit Notbremsassistent, Fußgängererkennung, Abstandsregeltempomat, ein Regensensor, 17-Zoll-Leichtmetallräder, Verkehrsschilderkennung, Rückfahrkamera, Acht-Zoll-Touchscreen und Nebelscheinwerfer. Das Fassungsvermögen des Kofferraums beträgt 377 Liter, was ein gängiger Normwert ist.
Der C-HR ist der erste Toyota, für dessen Aussehen sich der Hersteller nicht rechtfertigen muss. Und er könnte der Erste sein, der mit dem Herzen, aber weniger mit dem Verstand gekauft wird.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun