Citroën: 70 Jahre 2 CV

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„Endlich wieder ein echter Citroën, unverwechselbar und minimalistisch wie die Ente!“, feierten Fachmedien vor vier Jahren den C4 Cactus. Zu früh gefreut, denn dieser C4 war den Kunden zu frugal. Passend zum 70. Geburtstag des legendären 2 CV soll deshalb ein neuer, komfortbetonter Cactus die gigantischen Fußabdrücke der federweich abgestimmten Ente ausfüllen. Ob es aber jemals gelingen wird, die revolutionäre Idee dieses bis heute erfolgreichsten Citroën mit neuem Leben zu füllen? Immerhin rollten bis 1990 über fünf Millionen 2 CV als ebenso simpel gehaltene wie skurril gezeichnete Limousinen und Lieferwagen von den Bändern.

Ein preiswerter und pragmatischer Citroën, den die Presse bei der Premiere im Pariser Grand Palais 1948 satirisch beschrieb als „Konservendose, Modell freies Campen für vier Sardinen“. Was die Nachfrage offenbar noch förderte, nahmen frühe 2-CV-Käufer doch bis zu sechs Jahre Lieferzeit hin. In Deutschland wurde der Zweizylinder erst zum Inbegriff des exzentrischen Galliers und dann zum unverzichtbaren Vehikel von Lebenskünstlern und der Studentenbewegung. Trotz hoher Rostanfälligkeit ist der kompakte Viertürer mit riesigem Rolldach bis heute unvergessen. Noch ein Kunststück gelang der Ente à la Citroën: Sie überlebte ihre Kinder und designierten Nachfolger, wie Ami, Dyane, Méhari, LN und Visa. Aber auch Namen jüngerer Erben wie AX und Pluriel sind längst verweht.

Im Reigen der Geburtstagsgratulanten sollen die Enten-Abkömmlinge trotzdem nicht fehlen, schließlich verkörpern sie zumindest zwei Philosophien ihres Vorbilds: Ein unkonventionelles Konzept und Komfort zu kleinen Kosten. Nicht mangeln durfte es bei Enten-Küken wie Citroën Dyane (ab 1967), LN (ab 1976) oder Visa (ab 1978) außerdem an dem bewährten, wenn auch schwachbrüstigen Boxermotor mit seinem Schnattersound. Bis zu 300.000 Kilometer schlägt so ein kleines Entenherz mit seinen im 2 CV maximal 21 kW/29 PS.

Auch die Protestnote gegen das PS-Establishment war beim Entennachwuchs stets präsent. So überraschte der 2-CV-Sprössling Méhari im Jahr 1968 mit federleichter, aber nicht feuerfester Kunststoffkarosserie für Jagd und Strand, während die exaltierte Z-Designlinie des Ami 6 mit inverser Rückscheibe (ab 1961) oder die luftgepolsterten Karosserieflanken des C4 Cactus (ab 2014) bei den meisten Betrachtern ratlose Blicke bewirkten. Eine Ente à la nouvelle cusine präsentierte 2002 dagegen der Citroën Pluriel im rundlichen 2-CV-Retrolook. Mit ihm konnten Kleinwagenfahrer ihr Auto erstmals in fünf unterschiedlichen Karosserieformen nutzen. Ob Dreitürer, Pick-up, Cabriolimousine, Vollcabrio oder Spider, der wandelbare Pluriel war für jede surprise gut – Basteltalente seiner Besatzung beim Umbau der Karosserieteile vorausgesetzt.

Überraschungsmomente gehörten auch beim 2 CV von Beginn an dazu. So fragten sich die Besucher beim Pariser Salon 1948, ob dieses kurios geformte Anti-Traumauto wirklich ernst gemeint war. Allen voran der französische Staatspräsident Vincent Auriol, dessen Gesichtszüge regelrecht entgleisten als er sich in den Fond des hässlichen Entleins setzen sollte. Tatsächlich schien der Sozialist Auriol in diesem Moment vergessen zu haben, das der Citroën 2 CV ein von der Politik schon lange eingefordertes Volksfahrzeug war. Die einfache Karosserie auf Kastenrahmen machte das Auto bezahlbar und der anfangs gerade einmal 7 kW/9 PS entwickelnde 375-Kubikzentimeter-Boxermotor den Unterhalt erschwinglich.

„Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fass Wein bietet, mindestens 60 km/h schnell ist und nur drei Liter auf 100 km verbraucht“, waren die Vorgaben an den Citroën-Konstrukteur André Lefèbvre gewesen, der das Projekt dieses geräumigen und sogar geländegängigen Volksautos schon Ende der 1930er Jahren realisiert hatte. Richtig in Fahrt kamen die Fließbänder mit dem 2 CV zwar erst 1949, dafür liefen sie dann 41 Jahre lang. Als 1990 der Abschied nahte, wurde der 2 CV nur noch in Portugal gebaut, auf eine Trauerstunde für das Kultvehikel wollte die Belegschaft aber nicht verzichten.

Auf manchen Exportmärkten wie Deutschland traf der 2 CV – der Typencode steht für „deux chevaux”, zwei fiskalische Pferdestärken – erst Ende der 1950er Jahre ein. Hierzulande kostete der 3,83 Meter kurze Viertürer deutlich mehr als ein VW Käfer, trotzdem fand der kleine Franzose seine Fangemeinde. Vielleicht weil die Ente – diesen Kosenamen verdankt er seiner Kurvenneigung, die an einen watschelnden Gang erinnert – polarisierte wie kein anderes Auto. In den 1960er Jahren entdeckten Jugend und Studenten das Primitivauto und feierten darin den „Summer of Love“. Und welches Auto hätte sich ab 1968 besser zum Protest gegen Protz und Chrom geeignet? Sogar Ökoaktivisten fühlten sich im 2 CV wohl, der erst 1974 nach der Ölkrise sein bestes Verkaufsjahr erlebte und in den 1980ern zwar ohne Katalysator, aber immerhin bleifrei fuhr. Schließlich verkörperte der 2 CV eine besondere Form des französischen savoir-vivre, der auch Roger Moore als James Bond nicht widerstehen konnte. Im Film „In Tödlicher Mission“ trickste er in einer knallgelben Ente alle Verfolger aus.

Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft, beim Deux Chevaux trugen die härtesten Rivalen jedoch die Gene der Ente. Etwa der bereits erwähnte Citroën Ami 6, der vorübergehend Frankreichs meistgekauftes Auto wurde. Mit diesem „kleinen Freund“ wollte Citroën die gigantische Lücke zwischen 2 CV und dem Flaggschiff DS füllen. Was dem Ami mit seinem schrillen Cocktail aus schrägem Design und der Technik des 2 CV gelang. Allerdings hatte der luftgekühlte 21-PS-Zweizylinder-Boxer gegen die stärkere europäische Kompaktklasse einen schweren Stand, weswegen der Ami im Exportgeschäft weniger brillierte. Auch die Weiterentwicklung zum Ami 8 mit Vierzylindern und Fastback konnte den Erfolg des 2 CV nicht wiederholen. Gleiches gilt für die 1967 lancierte Dyane, die das Design des puristischen 2 CV in elegantere Couture verpackte, mehr als eine Million Käufer überzeugte, aber vom Original überlebt wurde. Sogar der schicke City-Flitzer Citroën LN hatte in den 1970er Jahren keine Chance, den 2 CV abzulösen und auch ein kleiner Fünftürer namens Visa war in den 1980ern kurzlebiger als sein betagter Zweizylinderspender, der derweil als 2 CV Charleston den Modetrend des Retrodesigns initiierte.

Ein neues „Auto für alle“ im Sinne des Unternehmensgründers André Citroën wurde nach dem 2 CV erst wieder der 1986 enthüllte Citroën AX. Mit diesem extravaganten Dreieinhalb-Meter-Modell präsentierte Citroën einen Superstar, der in einer spektakulären Werbekampagne die chinesische Mauer erklomm und als Straße zum Erfolg nutzte. Mit insgesamt rund 2,6 Millionen Einheiten avancierte der AX zum meistgebauten Citroën aller Zeiten – nach dem 2 CV. Dessen unverwechselbaren und unvergessenen Charakter konnte bisher niemand neu interpretieren. Was den stacheligen C4 Cactus nicht abhält, jetzt einen neuen Anlauf zu nehmen.

Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: Citroën/SP-X

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