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Selten war sich die Medienwelt so einig: „Mit diesem 5er setzt sich BMW an die Spitze“. Tatsächlich war die im Januar 1988 vorgestellte dritte 5er Generation (Baureihe E 34) ein Seriensieger in Vergleichstests und die Verkaufsergebnisse übertrafen sogar die ambitionierten Erwartungen des BMW-Vorstands. Schon in den ersten vier Monaten verdreifachten sich die deutschen 5er-Zulassungszahlen im Vergleich zum Vorgänger und die gleichzeitig aufkommenden langen Lieferzeiten kannten Businessclass-Käufer bisher nur von Mercedes. Überhaupt musste sich die Marke mit dem Stern darauf einrichten, dass ihre Vormachtstellung in der Premiumklasse gefährdet war. So gelang es dem 5er mit serienmäßiger Sechszylinder-Noblesse auf Anhieb, den Vierzylinder-Basis-Benziner der Mercedes E-Klasse (W 124) in den Verkaufszahlen zu überholen.

Ein wichtiger Achtungserfolg für die Münchner gegenüber dem mittleren Mercedes-Modell, auch wenn der W 124 insgesamt betrachtet der volumenstärkere Bestseller blieb. Was nicht zuletzt an dessen Diesel-Dominanz lag. Aber auch hier hatten die Bayern nachgerüstet. Die von den Kultdesignern Claus Luthe (Schöpfer des NSU Ro 80) und Ercole Spada in leichtfüßiger Eleganz gezeichnete 5er-Linie gab es über die achtjährige Bauzeit mit drei kultivierten Diesel-Sechszylindern. Für die fettesten Schlagzeilen sorgten jedoch schnelle V8-Benziner und der M5 als stärkste Sechszylinder-Limousine der Welt.

Was in der heutigen Ära inflationär steigender PS-Zahlen schon ein kräftiger Kompakter schafft, war vor 30 Jahren eine veritable Sensation: Mit 232 kW/315 PS übertraf der Vierventil-Sechszylinder im BMW M5 sogar das gerade erst vorgestellte bayerische Flaggschiff, den V12 im 750i. Abgesehen vom Typenschild auf Kühlergrill und Kofferraumdeckel verriet kaum etwas, wie viel Muskelmasse der M5 unter der Motorhaube hatte. Verzichtete der Viertürer doch gänzlich auf gewöhnliches Flügelwerk.

Und so entfaltete die erstmals im legendären M1 eingesetzte, für den neuen 5er-Viertürer jedoch gründlich modernisierte Maschine ihren vehementen Schub für andere Verkehrsteilnehmer völlig überraschend. Wäre es etwa zu einem Sprintderby mit dem Zwölfzylinder-Ferrari 412, dem Aston Martin V8 und dem Lotus Esprit gekommen, der BMW-M5-Pilot hätte diesen Supersportlern seine sieben Zentimeter dicken Endrohre gezeigt dank der sensationellen Tempo-100-Spurtzeit von 6,3 Sekunden. Chancenlos gegen den BMW blieben selbstredend auch der viertürige Businessbomber Lancia Thema mit Ferrari-Motor, der Audi 200 Turbo und die Stuttgarter Leistungsträger. Allerdings nur so lange bis der Mercedes 500 E mit 240 kW/326 PS freisetzendem V8 die Messlatte höher legte.

Was wiederum BMW umgehend mit einer Nachrüstung beantwortete, so verfügte der M5 ab 1992 über 250 kW/340 PS, die ihm bei der Zeitnahme des Tempo-100-Sprints eine fünf vor dem Komma sicherten. Zumindest „Sonntagmorgen, 7 Uhr 15“ auf der Rennstrecke, wie die Werbung erklärte. Alternativ stand der M5 als offizielles Renntaxi auf dem Nürburgring bereit und wer mit der ganzen Familie ins Freizeitabenteuer fuhr, konnte Gepäck und Sportgerät in den damals einzigartig schnellen Eilfrachter M5 Touring verladen.

Wobei die Bayern ebenso wie die Schwaben eine Vmax-Abregelung bei 250 km/h für unverzichtbar hielten. Wer es hurtiger mochte, konnte ja Alpina kaufen, denn das 265 kW/340 PS starke Kraftwerk im B10 Biturbo war gut für 290 km/h. Auch der fast ebenso flotte Opel Lotus Omega brachte BMW vorläufig nicht ab von diesem Kurs selbst auferlegter Vmax-Disziplin. Schließlich gab es wichtigere Felder, in denen die E-34-Baureihe das aufholen sollte, was der Vorgänger nicht geschafft hatte.

Nach dieser betulich gezeichneten E-28-Serie – im Grunde war sie nur ein Facelift des ersten 5ers von 1972 – fuhr der dritte 5er in einer dynamischen Formensprache, die sich eng am hochgelobten, erst zwei Jahre zuvor enthüllten 7er (E 32) orientierte. Und genau wie das blau-weiße Flaggschiffmodell sollte der 5er eine Führungsrolle in Technik und erstmals auch Solidität übernehmen. Schwergewichtig wie noch nie (Leergewicht ab 1.400 Kilogramm gegenüber 1.160 Kilogramm beim Vorgänger) verblüffte der dritte 5er mit Talenten, die sich bis dahin eher bei vermeintlichen Biedermännern aus Stuttgart oder Schweden fanden. Etwa Fahrersitze mit Verstellwegen auch für Großgewachsene, viel Beinfreiheit im Fond, eine Fahrgeräuschisolation, die zu den Besten zählte und üppig dimensionierte Technikkomponenten für Komfort und lange Lebensdauer. Dabei auch Details wie großvolumige Federbein-Stützlager und versteifte Dreieckslenker oder ein zusätzliches Gleichlaufgelenk zur Eliminierung störender Kardanwellengeräusche. Das alles sicherte dem in schöne sowie aerodynamisch optimierte und somit schnelle Schale verpackten 5er viele Fans, die von anderen Fabrikaten kamen.

Nicht zu vergessen: Die mittelgroße BMW-Reihe zeigte sich erstmals in Kombiform, der 5er Touring mit einzigartigem Doppel-Schiebedach zielte auf Audi 100 Avant und Mercedes E-Klasse T-Modell. Aufsehen erregten außerdem Allradversionen, neue Vierventil-Sechszylinder zum ersten Facelift, optionale Achtzylinder fürs Oberklasseprestige sowie ein sparsamer Erdgasantrieb, der den 5er am Ende seiner Laufzeit noch einmal ins Gespräch brachte. Für Vielfahrer legte BMW schon 1991 den 525 tds auf, dessen Sechszylinder mit einem Normverbrauch von 5,1 Liter bei 90 km/h beeindruckte und der mit 207 km/h die Vmax-Messlatte auf einen neuen Höchstwert hängte. Eine Kampfansage nicht nur Richtung Ingolstadt, wo gerade der Audi 100 Turbo-Diesel erneuert worden war. Und noch ein Meilenstein aus München: Der 530i Touring debütierte 1992 als erster europäischer Kombi mit Achtzylindermaschine und Vierventiltechnik.

Dieser Mix aus feinen Formen – verführerisches „Jaguar-Design“ bescheinigte die Fachpresse dem 5er – und beispiellos breitem Motorenangebot machte es möglich, dass die Baureihe E 34 den Markterfolg ihres Vorgängers mit insgesamt über 1,3 Millionen verkauften Einheiten fast verdoppeln konnte. Auch deshalb sind die teilverzinkten und langlebigen Bestseller bis heute noch nicht völlig aus dem Straßenbild verschwunden. Allerdings sicherte sich der dritte 5er auch durch ein traditionelles BMW-Kennzeichen anhaltenden Kultstatus in der Klassikerszene: Als letztes Modell der Marke trug er die charakteristischen, freistehenden Doppelscheinwerfer, die sich danach unter einem Deckglas versteckten.

Wenn sich BMW heute zu den weltweit führenden Premiumherstellern zählt, so legte der dritte 5er einen großen Grundstein dazu. Kreierte er doch einen neuen Cocktail aus sportiver Dynamik und solider Gediegenheit, der ihm erstmals außerhalb Bayerns die Akzeptanz als Dienstfahrzeug von Direktoren, Vorständen und Ministern sicherte. Sogar in Japan und Nordamerika wurde der BMW zeitweise beliebtestes deutsches Statussymbol für Besserverdienende, zumal er dort in speziellen M-Sport Versionen angeboten wurde. Keine Überraschung, dass der dritte 3er (E 36) dieser Vorlage folgte.

Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: BMW/SP-X

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