Buchtipp – Regener: Wiener Straße

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Sven Regener ist für eines meiner Lieblingslieder verantwortlich. Das liegt an seiner früheren Band Element Of Crime, mit der er unter anderem das für mich hinreißende An Land aufgenommen hat. Das ist fast ein Vierteljahrhundert her.

Außer mit Element Of Crime hat sich Regener längst eine zweite Karriere aufgebaut. Als Schriftsteller. Aber: Ob man nun seine Band noch kennt, eines seiner Bücher rund um Herrn Lehmann oder den Namen Sven Regener noch nie gehört oder gleesen hat, ist für Wiener Straße gar nicht wichtig. Um den Roman zu mögen, muss man sich nur fürs Schräge begeistern, für alles, was nicht in vorgegebenen und vorhersehbaren Bahnen läuft.

Wiener Straße spielt im Berliner Kreuzberg der frühen Achtziger. Frank Lehmann ist umgeben von skurrilen Figuren, das ergibt lustige Situationen ebenso wie bitterböse Schilderungen. Die Berliner Schnauze, im Alltag schon rau und (oftmals, aber nicht immer) herzlich, kommt bei Regener noch einen Zacken pointierter rüber.

Von welcher Zeit ist hier die Rede? Es sind die letzten Jahre vor dem Mauerfall, als Berlin noch nicht offiziell Hauptstadt war und vom Rest der Republik immer geradezu unwirklich weit entfernt zu sein. Jahre, in denen nach Berlin ging, wer der Enge anderswo entfliehen oder einfach seine Ruhe aben wollte. Jahre, in denen Berlin unter anderem berühmt war für geradezu irreal niedrige Wohnungsmieten – wenn man die Ansprüche entsprechend zu senken bereit war. Kein Wunder, dass Sven Regener nicht nur ein Roman, sondern zugleich ein Geschichtsbuch gelungen ist. Kein repräsentatives, sondern eines aus einem bestimmten Blickwinkel. Und, ganz ehrlich – vom hier beschriebenen speziellen Charme hat sich nicht alles, aber doch manches ins Heute rüberretten können. Zum Glück.

Sven Regener: Wiener Straße. Galiani Berlin; 22 Euro.

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