Buchtipp – Stirkat: Ich kam, sah und reanimierte

Beitragsbild
Foto 1

Es sei ihm doch am Vortag noch gut gegangen – sagten Angehörige über den fast 80-jährigen Mann, den der Rettungsdienst nur noch tot auffand. Der Tod war allerdings schon länger eingetreten. Bemerkt hatte das die nur wenig jüngere Ehefrau nicht. Die Eheleute lebten im selben Haus, aber in unterschiedlichen Stockwerken und gingen sich hauptsächlich aus dem Weg, sahen sich somit wochenlang nicht. Und die vermeintlichen Lebenszeichen des Ehemannes kamen nicht von ihm, sondern aus seinem Fernsehgerät.

Was sich wie das Drehbuch zu einer Neuverfilmung von Die Katze liest (man erinnere sich an die von Jean Gabin und Simone Signoret in den Hauptrollen so vorzüglich dargestellte Tragödie im Film), war für Notfallmediziner Falk Stirkat Wirklichkeit. Eine von vielen Begebenheiten, die er in seinem neuen Buch zusammenträgt.

Hatte Falk Stirkat mit einem Erstling Ich kam, sah und intubierte vor zwei Jahren noch vorrangig die Arbeit des Rettungsdienstes plastisch geschildert, zeigt der Folgeband vor allem, was in dieser Arbeit wie nebenbei, aber nicht weniger dringlich mit aufgefangen wird.

Offen schreibt er zum Beispiel über den rasanten Anstieg von Crystal Meth als Modedroge. Billig und schnell verfügbar, entfaltet sie neben der Rauschwirkung fast genau so schnell ihre dramatischen Nebenwirkungen auf den Körper der Konsumenten. Auch die rebellierende Psyche kann zum Notdiensteinsatz in der Nacht oder am Wochenende führen – Erlebnisse, die man im stabilen Zustand zwar schlimm findet, aber doch halbwegs wegsteckt, können je nach Verfassung schlimme körperliche Symptome ausbilden. Und die abzuklären, ist nun mal Anliegen des Notdienstes. Auch hier beobachtet der Mediziner eine stetig steigende Zahl von Diagnosen.

Nachdenklich wird man beim Lesen aber auch, wenn man erfährt, dass manche Zeitgenossen sich per Krankenwagen abholen lassen, einfach um ein Taxi ins nächste Krankenhaus zu sparen. Oder wenn es darum geht, dass dringend nötige Behandlungen vom Patienten – aus unterschiedlichen Gründen – abgelehnt werden. Dass fehlende Einsicht auf der Seite auch Folgen für den Arzt im Einsatz hat, wird vielleicht manchem erst hier klar – der Notfallmediziner hat seinerseits dem Patienten gegenüber eine Verpflichtung und seinen Beruf zudem sicher keineswegs ergriffen, um die benötigte Hilfe einfach zu unterlassen – um es mal drastisch zu formulieren.

So spektakulär manche Fälle sind, fehlen doch jene nicht, die sicher allen Beteiligten am Ende ein erleichtertes Schmunzeln entlocken können. Wie im Fall des vermeintlichen Herzinfarktes. Ein ganzes Bündel an Symptomen deutete darauf hin. Die gründliche Abklärung ergab dann allerdings – eine Erkältung. Die hatte, weil eine besonders heftige Form, dem Betroffenen Angst um die Pumpe eingejagt. Angesichts der Beschwerden war's niemandem zu verdenken.

Falk Stirkat: Ich kam, sah und reanimierte. Schwarzkopf und Schwarzkopf Verlag; 9,99 Euro.

Scroll to Top