Haben die MINI das Siegen verlernt?

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Alles hat seine Zeit, ein Aphorismus von Johann Wolfgang von Goethe, der sogar bei diesem Thema seine Berechtigung erfährt. Waren es zu seligen Zeiten der originalen Afrika-Dakar-Rallye zunächst kurzzeitige Solo-Siege (z.B. VW Iltis mit Freddy Kottulinski, Peugeot mit dem 403 oder Mercedes G bis zur lang anhaltenden Siegesserie der Mitsubishi Pajero), so übernahm VW mit der Plastikflunder des kaum mehr erkennbaren Touareg dann das Zepter drei Mal, zog sich zurück und überließ das spektakuläre Ereignis der Nachwelt. Die wurde gleich vier Mal von den Allrad MINI von X-Raid in Folge dominiert, bis auch da ein würdiger Nachfolger in Gestalt des Peugeot 2008 DKR und des aktuellen 3008 DKR auf der Basis von Van-Serienmodellen gefunden war. Genauer gesagt aber fuhr der in einer anderen Klasse: den Buggys, die nur mit einachsigem Antrieb zugelassen sind. Dafür jedoch eine ganze Reihe spürbare Sondervorzüge aufweisen: etwas größerer Air-Restrictor für mehr Atemluft in den Brennräumen (und damit mehr und spontanerer Leistung), längere Feder- und Dämpferwege sowie eine zentral vom Cockpit aus steuerbare Reifendruckfüllanlage.

Dieses Buggy-System hat sich für Gesamtsiege durchgesetzt, die Allradler der T1-Gruppe fahren im Prinzip auch eine separate Wertung. Am Beispiel Toyota aber zeigt sich, dass eine kurzfristige Schnelllösung nicht immer auch erfolgreich sein muss. Das Toyota Gazoo-Team aus Südafrika unter Prinzipal Glyn Hall hat kurz vor der Dakar 2017 noch im Oktober/November 2016 versucht, aus dem sehr erfolgreichen Hilux V8 (mit 4×4, aber noch ohne Dakarsieg) einen Heckantrieb-Buggy zu zaubern, aber nach ersten Testfahrten, sogar in landesinternen Meisterschaftsrennen, das ganze Projekt ganz schnell wieder begraben.

Woran das scheiterte, war selbst bei besten Kontakten zum Team nicht zu erfahren. Einen Buggy kann man offensichtlich nicht auf die Schnelle aus einem bewährten 4×4-Modell schnitzen. Diese Erfahrung musste auch X-raid-Teamchef Sven Quandt machen, der bereits seit 2015 eine Studie auf Buggybasis in der Entwicklung hat. Grundmodell ist ein modifizierter MINI aus eigenem Hause, der seines Frontantriebs beraubt wurde. Und weil das kleine Auto mangels starker Sponsoren schlicht im Zebra-Look foliert wurde, nannte man es bei X-raid CEBRA. Sogar Jutta Kleinschmidt, Ex-Fahrerin bei Quandt, wurde zurückgeholt, um das Projekt voranzutreiben. Ohne signifikanten Erfolg, aber immerhin einigen Zielankünften sogar unter den Top Ten. Die MINI weisen nach Aussagen diverser Piloten auch zu wenig Leistung auf, trotz des Modells John Cooper Works.

Woher soll Sven Quandt aus dem Hause BMW-MINI auch einen geeigneten Van nehmen, wie es Peugeot mit dem 3008 vormacht? Weder BMW noch MINI haben ein entsprechendes Modell im Portfolio. Auch Toyota wird wohl eine gänzliche neue Buggy-Kreation schaffen müssen, um endlich wieder an der Spitze zu sein und einen Dakar-Sieg zu generieren. Zudem verfügt Peugeot über ein einzigartiges Fahrer-Quartett, das eng in die Entwicklung des 3008 DKR integriert ist: Rallye-Exweltmeister Carlos Sainz, der neunfache Rallye-Weltmeister Sébastien Loeb, der 13-fache Dakarsieger Stéphane Peterhansel und Cyril Despres, der die Dakar zwei Mal auf dem Motorrad gewann.

Soviel geballte Erfahrung hat kein anderes Team. Selbst ein Überflieger wie der Qatari Nasser Al Attiyah, der einen von Gazoo in Südafrika gemeldeten Hilux bei den ganz großen Wüstenrennen pilotiert, hat kaum Chancen wenn das Peugeot- Quartett antritt und noch vom Saudi Sheikh Al Qassimi im fünften DKR unterstützt wird. Alles hat seine Zeit und so wird sich zeigen, ob auch die Franzosen nach dem dritten oder vierten Dakarsieg genug davon haben und sich ebenfalls zurückziehen. Wie sich MINI aufstellen wird, ist noch offen, sicher aber dürfte sein, dass BMW, trotz der hohen Quandt-Anteile, eher bei den Rundstreckenrennen und bei den E-Rennwagen bleibt. Auch bei Audi oder Nissan sind da keine Bewegungen zu erkennen. Aber: Quandt hat bereits mit dem Mini vor 6 Jahren bewiesen, dass er jederzeit für hochqualitative Überraschungen sorgen kann, als er seine BMW X3 CC von den MINI ablösen ließ. Und ob, die Frage sei erlaubt, Veranstaltungen der Dakar-Größenordnung noch wirklich in die Zeit passen, ist schon lange nicht mehr so unangefochten wie ehedem…

Text: Frank Nüssel
Bilder: Teams

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