Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Wer seit Ende März die ersten Höhepunkte der neuen Saison in der sogenannten „Königsklasse“ des Motorsports, also in der Formel 1, zeitgetreu vor dem Bildschirm oder in der virtuellen Click-Welt des Livestream verfolgen wollte, der musste – zumindest setzen wir das an dieser Stelle einmal voraus – seine Schlaf und Aufsteh-Gewohnheiten zu diesem Zwecke etwas ändern. Denn während die roten, silbernen und andersfarbigen Renner sich dort tummelten, wo Tag für Tag die Sonne aufgeht, wälzte unsereins sich in der Regel eigentlich gerne noch in den Federn.

Doch der Rennsport besteht – einige sagen jetzt Gott sei Dank, andere leider – nicht nur aus der Formel 1. Und wie das inzwischen in unserer schönen (?) digitalen Welt so ist, können wir uns den Nervenkitzel auch auf die Couch holen. Das Zauberwort lautet in diesem Falle Animation. Spezialisten dieses Genres aus Tschechien haben historische Momente des Rennsports aus den vergangenen Jahrzehnten neu als Bildwelten mit einem unglaublich hohen Wiedererkennungs-Faktor umgesetzt. Nun werden die Wenigsten von uns sich noch persönlich als Zeitzeugen an die Erfolge eines Bernd Rosemeyer, Rudolf Caracciola oder Tazio Nuvolari in den 1930er Jahren erinnern können. Selbst ich scheitere kläglich bei diesem exemplarischen Versuch. Und das will in diesem Falle etwas heißen.

Wer sich jedoch in die Welt der Beteiligten versetzten will, als Motorsport noch von Leuten mit Lederhelmen und dicken Rennfahrerbrillen betrieben wurde, dem kann jetzt geholfen werden. Das Resultat langwieriger Kleinarbeit, das zwei Animationsfachleute zwischen Prag und Bratislava da geschaffen haben, vermittelt das Gefühl, als müsse man eigentlich nach zwei Stunden Schwerstarbeit am grobklotzigen Lenkrad und am Schaltknüppel nun Schwielen an den Händen haben.

Ein Rennen auf der Berliner AVUS aus dem Jahre 1937, mittlerweile 80 Jahre her, wird so nach historischen Filmaufnahmen und Bildern exakt und bis ins kleinste Detail korrekt in animatorische Bildsequenzen aufgelöst, dass das Ergebnis Atem beraubend ist. Das Bild aus den späten 1930er Jahren gehört zu einem ganzen Zyklus mit Arbeiten der beiden tschechischen Werbespezialisten Jan Rambousek und Petr Milerski.

Die beiden sind wahre Rennsport-Enthusiasten mit Vorliebe für historische Begebenheiten. Mit allen Mitteln der modernen Computer-Animation sind sie mit ihrem Team daran gegangen, prägende und einschneidende Momente des Motorsports aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wieder auferstehen zu lassen.

Wer mehr zum Entstehen dieser märchenhaften Poesie des Motorsports erfahren möchte, dem sei dazu ein faszinierendes Nachschlagwerk empfohlen. Das von Bart Lenaerts geschriebene Buch „When Motor Racing was Bloody Dangerous. – Ein Bildband nie gemachter Rennsportfotos.“ Es ist auf seine Art genau so ungewöhnlich wie die letztlich daraus entstandene digitale Konsequenz.Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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