Walter Röhrl: Zum 70. des „ewigen Weltmeisters“

Beitragsbild
Foto 1
Foto 2
Foto 3
Foto 4

Der Großvater verehrt ihn, für den Vater ist er sowieso der Größte, und selbst der Dreikäsehoch-Enkel weiß mit seinem Namen etwas an zu fangen. Wer auch nur ein paar Gene für das extreme, aber kontrollierte Autofahren in seiner perfektesten Inszenierung übrig hat, für den öffnet sich bei der Nennung dieses Namens die sprichwörtliche Walhalla des Motorsports: Walter Röhrl, ein knorziger, langer, hagerer, mitunter etwas verquerer, aber immer am kontrollierten Limit lebender Niederbayer ist für Motorsport-Deutschland nicht nur der gefühlte „ewige Rallye-Weltmeister“: Röhrl ist in seiner Gesamtheit die Inkarnation dessen, was an fahrerischen Fähigkeiten in einem scheinbar nicht zu bändigenden Monster von Automobil möglich ist.

Röhrl war und ist ein Mann, der permanent auf der Rasierklinge des Lebens tanzt: Gelernter Skilehrer, Ruderer, Radsportler mit Extrem-Anspruch, vor allem aber Virtuose auf den Pedalen aller Fahrzeuge und auf den anspruchsvollsten Strecken. Ausbalanciert bis aufs Gramm ist er die personifizierte Askese, die aus der kleinsten angedeuteten Reaktion eines Automobils ganze Weisheiten für Horden von Renn-Ingenieuren zu ziehen vermag. Röhrl, der Mann, der auf allen Strecken, in allen Wettbewerben Maßstäbe nicht nur gesetzt, sondern verschoben hat, ist vielleicht das Faszinosum des Motorsports schlechthin. Einer, bei dem der Begriff „Genie“ schlichte Untertreibung wäre.

Als Chauffeur in der bischöflichen Verwaltung des Bistums Regensburg von frühauf eher „gesittet“ unterwegs, fand er 1968 als Privatfahrer den Weg zum Motorsport. Bergrennen, Rallyes, Rundstrecke: Röhrl schreckte vor nichts zurück: vor keiner Herausforderung, vor keinem Auto, vor keiner Marke, vor keinem Gegner.

Auf einem Opel Ascona A wurde er Rallye-Europameister, mit dem Ascona 400 und dem Fiat 131 Rallye-Weltmeister, brannte Bestzeiten in den Col de Turini und wurde als Dominator der „Monte“ früh zum Ausnahmefahrer. Egal ob Opel, Fiat, Lancia, Audi, Porsche: Der „Lange“, wie man ihn bald nannte, bändigte sie alle. Im Verbund mit seinem kongenialen Partner im Cockpit, Christian Geistdörfer, wurde Röhrl vielleicht zum perfektesten Paar in einem dieser fürchterlichen Geschosse mit 600 und mehr PS in den 1980er Jahren.

Kein „No-name-Rookie“ aus dem fernen Europa versetzte der von NASCAR, TransAm und IMSA-Serien in einen Rausch der Selbstgefälligkeit versetzten Amis einen derart ungebremsten Schock wie der schweigsame Mann aus dem fernen Deutschland. Es war im Jahr 1987, als Röhrl sich am Pikes Peak in Colorado in seinen zum Flügelmonster „gedopten“ kurzen Audi Quattro S1 zwang und dann etwas tat, was die Vorstellungswelt eines amerikanischen Motorsport-Enthusiasten völlig auf den Kopf stellte.

Wo sich Jahrzehntelang die Dompteure amerikanischer V8-Monster umsonst bemühten, die Zeit von 11 Minuten auf der damals unbefestigten Schotterfahrbahn mit über 160 Kurven bis hinauf auf 4000 Meter zu unterbieten, brannte dieser Unbekannte eine Zeit wie ein Fanal auf die Stoppuhren: 10:47,85 Minuten! Die Amis, die den V8-Big Block zum Kult erhoben hatten, schwankten zwischen Schock und Ungläubigkeit.

Dennoch war sein Verhältnis zu den Ingolstädtern, insbesondere zum damaligen Audi-Chef Ferdinand Piëch, nicht ungetrübt: Alsbald machte das geflügelte Wort, vom „dressierten Affen“, der in einem Quattro gewinnen könnte, die Runde. Sein Glück hat Röhrl seit vielen Jahren in Zuffenhausen gefunden. Als Entwickler, Testfahrer, Repräsentant und Botschafter des Hauses Porsche ist er zum lebenden Gralshüter der schwäbischen Sportwagen-Dynastie geworden.

Heute, am 7. März 2017, wird Walter Röhrl 70 Jahre alt.

Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Jürgen C. Braun, Oliver Kleinz

Scroll to Top